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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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daß ich schon senil bin, Charlie – entschuldige. Es ist nur, daß dieser verdammte Ort –« Er machte eine Handbewegung, die alles umfaßte, das Klistier auf dem Tisch in der Ecke, den Rollstuhl hinter der Tür und die vier Stockwerke unter und den einen über ihm. »Und natürlich«, fügte er hinzu und kicherte verschwörerisch, »war auch ich ganz schön angedudelt. Erinnerst du dich?«
    Charlies Lachen klang hell und scharf. Er schlug sich aufs Knie, dann beugte er sich vor und füllte erneut das Glas. Will kramte in der Nachttischschublade, bis er seinen Waterman-Füller gefunden hatte, und setzte schwungvoll seinen Namen unter den Scheck.
    Charlie dankte ihm, und Will meinte, es sei nicht der Rede wert. Sie saßen beide da, zufrieden, ihre Sorgen vergessen. Nach einer Weile wagte es Will, sich nach der von ihm investierten Summe zu erkundigen – lachend gab er zu, nicht daran gedacht zu haben, auf den Betrag zu sehen. »Oh«, sagte Charlie, und er antwortete auf Wills Lachen mit einem kehligen Kichern, »dir mag es nicht sehr viel erscheinen, aber für uns bei Per-Fo, die wir ja noch ganz am Anfang stehen, ist es wirklich großzügig, und ich danke dir von ganzem Herzen, und auch meine Partner bedanken sich.« Pause. Achselzucken. Etwas leiser: »Tausend.«
    Tausend. Tief in seinem Innern befiel Will die leise Spur eines Zweifels, aber er hob das Glas an die Lippen und brachte ihn zum Schweigen. »Das freut mich«, sagte er, seine Zunge stolperte über das T und sprach es aus wie ein D. Charlie schien es nichts auszumachen. Er strahlte Will an, wippte auf dem Stuhl hin und her und bedachte ihn mit einem Blick reiner Dankbarkeit und unverfälschter Freude.
    »Tja«, sagte Charlie und stand auf, »es wird spät, Will, und ich muß jetzt los – wirklich –, und ich wünschte, du kämst mit mir zum Red Onion, aber hör mal, behalt den Rest in der Flasche und trink ab und zu einen Schluck – aber mit Verstand –, um die vielen Bohnensprossen runterzuwaschen, in Ordnung?« Er stand jetzt, nach wie vor lächelnd, mitten im Zimmer, genau dort, wo Eleanor gestanden hatte. »In Ordnung?« wiederholte er.
    Es wäre in Ordnung gewesen – alles wäre in Ordnung gewesen, angefangen beim warmen Glühen in Wills Magen bis zu seinen entspannten Beinen und dem angenehmen Gefühl zwischen ihnen –, wenn Dr. Kellogg, der kleine weiße Dynamo höchstpersönlich, nicht diesen Augenblick gewählt hätte, um zur Tür hereinzustürmen wie ein wirbelndes, quirlendes meteorologisches Ereignis, Worte, die zur Vorsicht mahnten, gebieterische Worte, Worte des Lobes und der Hoffnung auf den Lippen. »– hält sich an die Diätvorschriften«, sagte er gerade zu seinem Sekretär, der ihm auf den Fersen folgte, »Ruhe und regelmäßige Spülungen von jetzt an stündlich, bis der Punkt erreicht ist –« und dann blieb er wie angewurzelt stehen. Zum zweitenmal, seitdem Will ihn kannte, fehlten dem Heiligen der Gesundheit die Worte. »Was?« sagte er und blickte von Will zu Charlie und wieder zurück. »Wer –?«
    »Gute Nacht, Will«, sagte Charlie schnell, »hoffentlich geht’s dir bald besser«, und er machte einen Schritt auf die Tür zu.
    »Sie!« schrie der Doktor plötzlich, warf die Tür in seinem Rücken zu und stellte sich davor, um Charlie den Weg zu versperren. »Ich kenne Sie, Sir, ich kenne Sie mittlerweile – die billigste Sorte Schurke!«
    »Einen Augenblick–« begann Will, aber der Doktor schnitt ihm das Wort ab.
    »Von Ihnen kein Wort, Sir«, schäumte der kleine Mann und hob einen warnenden Finger. »Dab« – und sein Blick fixierte Charlie –, »rufen Sie Rice und Burleigh. Sie sollen augenblicklich herkommen.«
    Es war ein tableau vivant: Will im Bett, Charlie in die Ecke gedrängt, der Doktor an der Tür und Dab neben ihm. Dann brach der Sekretär den Bann, indem er durchs Zimmer zum Telephon watschelte und die Pfleger holen ließ. Während Dab aufgeregt telephonierte, schwiegen die anderen, und dann äußerte der Doktor ein einziges Wort, seine Stimme rauh vor Erstaunen: »Whiskey!«
    Die Flasche Old Overholt stand auf dem Nachttisch, daran gab es nichts zu rütteln, und daneben das halbvolle Glas. Will blickte zu Charlie, und im nächsten Augenblick schritt der Doktor zur Tat. Behende wie eine Katze sprang er durchs Zimmer, ergriff Glas und Flasche und zerschmetterte sie an der Nachttischkante, so daß der Boden übersät war mit Glasjuwelen, und der gezackte Flaschenhals, den er fest umklammerte, ragte

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