Willkommen in Wellville
mußte den Kopf einziehen und wie ein Buckliger die Schultern vorschieben, um sich an den niedrigen Balken nicht den Kopf einzuschlagen. Angewidert stieß er die Maus beiseite und sah hinauf zu Bender und Bookbinder, die oben auf der kleinen Treppe in der Tür standen, hinter ihnen der trostlose Januarhimmel.
»Es ist ein Keller«, sagte Charlie.
»Er ist billig.« Bender verkroch sich vor dem Wind in seinem Überzieher, der Zylinder klebte ihm am Kopf, der seidene Schal war fest um seinen Hals gewickelt. George kauerte auf der untersten Stufe, halb im Keller, halb draußen, er wirkte benommen und war betrunken. Über seinem linken Augen befand sich eine gelbliche Beule, vermutlich war er auf der Straße hingefallen – oder gestoßen worden.
Charlie entzündete mit einem Streichholz eine der Kerzen, die sie mitgebracht hatten. Er stellte sie auf einen Stapel Kleinholz in der Ecke und schlenderte gemächlich herum, um die Örtlichkeiten zu inspizieren. Der Keller war groß, das mußte er zugeben, aber er war nicht höher als einen Meter siebzig, und er war kalt, dreckig, eine Müllkippe. Über sich hörte er Schritte, ein Schlurfen und ein Aufschlagen, als würde jemand Säcke mit Kartoffeln über den Boden schleifen. »Wer wohnt oben?« fragte er, und er sah seinen Atem in der feuchten, abgestandenen Luft hängen.
»Barts Mutter«, erwiderte Bender und nickte in Richtung Bookbinder. »Das Haus gehört ihr.«
»Sie ist krank, die arme Frau«, ergänzte Bookbinder. »Seit dem letzten Schlaganfall ist sie linksseitig gelähmt, und wir mußten eine Schwedin anstellen, die sich um sie kümmert.«
Aber Charlie hörte nicht zu. Er dachte an Mrs. Hookstratten – sein »Tantchen Amelia« – und das Vertrauen, das sie in ihn setzte. Ganz zu schweigen von seinem greifbaren Ausdruck in Form von Bargeld und Scheck. Auf Benders Drängen hatte er ihr eine Reihe von Briefen geschickt, die die makellosen, neuen Büroräume der Per-Fo-Fabrik beschrieben und eine absolut fiktive Liste prominenter Investoren aufführten. Eloquent schilderte er die sauberen und billigen Arbeitskräfte, Männer und Frauen des Mittleren Westens, die neu entworfenen Per-Fo-Schachteln und die wahre, fortdauernde Mission von Per-Fo, die selbstverständlich darin bestand, das gute, brave amerikanische Volk mit dem vorverdauten, peptonisierten, sellerieimprägnierten Wunder einer fertig zubereiteten, vegetarischen Frühstückskost zu versorgen – kurz, den amerikanischen Magen zu retten. Seine Briefe waren zwanzig, ja dreißig Seiten lang, und in seinem Geist wurde, zumindest während der Stunde, in der er sie verfaßte, die Fiktion zur Realität, so daß er die Fertigungshalle in ihrer idealisierten Version vor sich sah, den Schreibtisch hinter der Milchglastür zu seinem Büro, er kannte und bewunderte die Arbeiterschaft und spornte sie an – besonders die Mädchen, die enge Röcke trugen und ihm Respekt zollten, wenn er ihren Arbeitplatz inspizierte, eine nach der anderen murmelten sie »Guten Tag, Mr. Ossining« und wandten sich errötend ab.
Die Briefe hatten Wirkung gezeigt. Sie erhielten weitere zweitausendfünfhundert Dollar aus der Hookstrattenschen Kasse. Zweitausendfünfhundert Dollar, die Bender verwandt hatte für die Herstellung von eintausend Schachteln und die sie zusammen mit einer Wagenladung gebrauchter Retorten, Mischbottiche, Walzen und einem großen, neuen, holzgefeuerten Sears-Ofen in dieses Loch am Rand der Größten Kleinstadt in den USA geführt hatten. Die Schachteln, die Bender selbst entworfen hatte, entsprachen ziemlich genau Charlies Vorstellung – das mußte er Bender lassen. Rot, weiß und blau, mit der Abbildung zweier cherubinischer Kinder und ihrer sittsamen und doch ziemlich scharf aussehenden Mutter, die in Abwesenheit des Ernährers der Familie um den Küchentisch herum saßen. Oben auf der Schachtel der Schriftzug KELLOGG’S PER-FO, DAS PERFEKTE NAHRUNGSMITTEL. Darunter eine Zeile über den Sellerie und so weiter, dann in der Mitte die Illustration und ganz unten auf der Schachtel in roten Blockbuchstaben eine Zeile, von keinem Geringeren als C.W. Post höchstpersönlich abgekupfert: MACHT DAS BLUT AKTIV. (Postum machte das Blut rot, aber den Spruch konnten sie nicht verwenden, wiewohl er Bender ausgezeichnet gefiel.) Auf der Rückseite das gleiche noch mal, die Abbildung etwas kleiner, dafür aber ein Absatz mit gesundheitsbewußtem Schwachsinn, um die Eleanor Lightbodys und Amelia Hookstrattens dieser
Weitere Kostenlose Bücher