Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
Vom Netzwerk:
Daran gab es keinen Zweifel.
    Der Regen tropfte. Charlie sagte nichts.
    Badger schien es nicht zu bemerken. Das Thema Frühstückskost, ihr gesellschaftlicher Wert als Korrektiv und Ansporn für die Karnivoren, riß ihn mit, und seine Stimme krächzte weiter, bis sie so trocken klang wie der Wind, der über ein abgeerntetes Maisfeld weht. Charlie beobachtete Eleanor, während ihr Begleiter auf seinen Adjektiven und Adverbien herumknirschte – sie blickte ihn unverwandt an, mit einer Mischung aus Verehrung und Verzückung –, und er fragte sich, was sie in ihm sah. War er eine Art Sanatoriumsheiland? Der Messias der Wiederkäuer? Sein Aussehen paßte jedenfalls zu dieser Rolle – derangiert, fahl, mit dünnen Handgelenken, in den Augen ein fanatisches Glühen. »Hühnerfutter nennen sie es«, sagte er, verächtlich schnaubend, »und so glauben sie, daß sie es abtun können als … als –« In diesem Augenblick verhedderte er sich im Schirm, und während er sich und Eleanor befreite, verlor er den Faden und ließ den Satz unbeendet.
    »Da bin ich mit Ihnen ganz und gar einer Meinung«, warf Charlie ein, der seine Chance sah, endlich auch zu Wort zu kommen und sich gleichzeitig davonstehlen zu können. »Frühstückskost ist das einzig Wahre, peptonisiert und sellerieimprägniert. Also dann, Eleanor« – er lüpfte den patschnassen Hut –, »Mr. Badger. Es war mir ein Vergnügen.« Und dann stapfte er in den Regen davon, in seinem Sperrholzpanzer unbeholfen wie eine Schildkröte, während die Slogans in seinem Rücken lauthals verkündeten: MACHT DAS BLUT AKTIV, MACHT DAS BLUT AKTIV, MACHT DAS BLUT AKTIV.
    Am nächsten Tag schickte er die Reklametafeln in den Ruhestand – zumindest bis Bender zurück war. Als er im prasselnden Regen gestanden und sich vor Eleanor Lightbody lächerlich gemacht hatte, während die wahren Frühstückskostbarone in ihren warmen, trockenen Büros oder Jachten saßen und ihre Lakaien Schachtelpyramiden in den Schaufenstern von Lebensmittelgeschäften bauen ließen, hatte er eine Art Epiphanie erlebt. Worauf es hinauslief, war folgendes: Was nutzte das Ganze? Bender sollte im Lauf der nächsten Woche zurückkehren, und er hatte zweimal geschrieben – aus Gary, Indiana, und Galena, Illinois –, um zu berichten, daß er sich vor Bestellungen kaum retten konnte. Nun, in Ordnung. In einer Woche hätten sie das Kapital, um eine richtige Fabrik zu eröffnen, mit einem redlichen Experten, nicht irgendeinem abgehalfterten Jasager und Betrüger wie Bookbinder, und dann wären sie im Geschäft. Charlie meinte, es wäre noch genügend Zeit, sich Gedanken um Reklame zu machen, wenn sie wirklich etwas zu verkaufen hätten. Sollte Bender doch mit den Reklametafeln herumlaufen, wenn er so wild darauf war.
    Bender kehrte Ende der Woche zurück und hielt wie Cäsar, der aus dem Gallischen Krieg zurückkehrt, erneut in der Post Tavern Einzug. Selbstverständlich war nur das Beste gut genug für ihn, und er hieß sich selbst zu Hause willkommen mit einem üppigen Abendessen im Wee Nippy, zu dem er Charlie einlud und ein Dutzend der begeisterungsfähigsten Bürger Battle Creeks, Personen, die er seit dem Herbst umgarnte. Vor dem Essen hielt er eine lange Rede – zu drei Vierteln feierlich, zu einem Viertel aufmunternd –, wobei er seine Pläne für Per-Fo skizzierte und sich lange bei den bedeutenden Summen aufhielt, die er dank der Vorbestellungen für die revolutionärste neue Frühstückskost in der Geschichte Battle Creeks und somit auch ganz Amerikas bereits eingenommen hatte. Und er ließ seine guten Freunde und Geschäftspartner, die sich um ihn versammelt hatten, wissen, wieviel Gewinn ihnen die Anteile an diesem neuen Unternehmen einbringen würden, wenn sie sich von Anfang an beteiligten.
    Charlie hatte seinen Partner nie in besserer Form erlebt. Bender wetterte und donnerte gegen seine Konkurrenten und die Neinsager, die zu behaupten wagten, der Frühstückskostmarkt sei mit Produkten überschwemmt, gegen die Ängstlichen und Kurzsichtigen, die darauf bestanden, im letzten Jahrhundert zu leben, gegen jene Sorte Leute, die sich geweigert hatten, bei Ford oder Standard Oil, in Straßenbahnen oder Telephone zu investieren. Aber er wetterte nicht einfach. O nein: Bender ging überaus subtil vor. Er war ein Meister in der Kunst zu überzeugen, ein Virtuose des Verkaufsgeschwätzes. Hatte er sie erst einmal kaufwillig gestimmt, bemerkte er, wie der Zweifel aus ihren Augen verschwand, dann

Weitere Kostenlose Bücher