Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
Vom Netzwerk:
seinem Mund klang es schmutzig, durch und durch lasterhaft. »Er manipuliert ihren Unterleib.«
    Es dauerte ein paar Augenblicke, bis er kapierte – er manipulierte ihren Unterleib? Was in Gottes Namen bedeutete das? Aber dann begann er darüber nachzudenken, über Eleanors Unterleib und seine Pforte, diese geheime Stelle, und darüber, daß nur ein Ehemann, und zwar ausschließlich ein Ehemann dazu berechtigt war … aber nein, das konnte nicht sein. Will war entsetzt. Er spürte, wie er rot wurde.
    »Ihre eigene Frau«, wiederholte der Doktor. »Aber das passiert, wenn Patienten Arzt spielen, wenn sie glauben, daß sie besser Bescheid wissen als die scharfsinnigsten medizinischen Köpfe ihrer Zeit, wenn sie sich erdreisten, sich selbst zu behandeln, Sir.« Jetzt war noch etwas anderes in seinem Gesicht, ein Schatten von Boshaftigkeit. Er schnalzte mit den Fingern. »Bloese!« Will nahm kaum wahr, wie der Sekretär vortrat mit einer Stofftasche, die er, wie Will erst jetzt und auch jetzt nur verschwommen merkte, die ganze Zeit über getragen hatte – er befand sich unter Wasser, ganz unten am Grund der tiefsten Senke im tiefsten Ozean, der Druck zermalmte ihn, und seine Lungen lechzten nach Luft, als Bloese in die Tasche griff und einen wohlvertrauten Apparat herausholte, einen elektrischen Gürtel, kaum gebraucht und deswegen noch in ausgezeichnetem Zustand, und das Genitalsuspensorium, das dazugehörte.
    Die zwei Männer, der Doktor und sein Faktotum, diese Rammböcke der Rechtschaffenheit, verschränkten die Arme und bedachten ihn mit einem vernichtenden Blick. Ein Augenblick ging vorbei, mickrig und armselig, und der winzigste Bruchteil eines zweiten. »Schwester Bloethal hat das unter Ihrem Bett gefunden, Sir«, sagte der Doktor schließlich. »Was haben Sie zu Ihrer Rechtfertigung zu sagen?«
    Will ließ den Kopf hängen. Er konnte nur an Eleanor denken, an Eleanor und Badger, an Eleanor und diesen Quacksalber, an Eleanor und ihren Unterleib.
    Den Heidelberg-Gürtel schwingend, trat der Doktor näher, und er preßte die Worte mit großem Nachdruck heraus. »Das ist der Fluch meiner Profession«, zischte er, »genau das ist es, was in diesem Augenblick auch Ihre Frau gefährdet. Selbstbehandlung. Daß man jedem dahergelaufenen Hausierer und Quacksalber glaubt. Der krankhaftesten und haltlosesten der sinnlichen Begierden Vorschub leistet. Wissen Sie denn nicht, daß dieses Ding Sie umbringen kann? Ist Ihnen denn nicht klar, wie krank Sie sind? Ein Mann in Ihrem Zustand –« er brach erstaunt ab. »Ein einziger Tropfen Samenflüssigkeit kann tödlich sein. Aber was mich wirklich wundert, ist, daß Sie heimlich Ihre Fortpflanzungsorgane zu stählen suchen, und die ganze Zeit über schwebt Ihre Frau genau deswegen in größter Gefahr. Ich rate Ihnen, Sir, stählen Sie Ihre Entschlossenheit, nicht Ihre Genitalien.«
    Obwohl er der Logik des Doktors nicht ganz folgen konnte, schämte sich Will in Grund und Boden, so sehr und so gründlich wie nie zuvor. Er wollte davonflitzen, über den Rasen davonsegeln wie ein Irrer, die Blumenbeete zertrampeln, sich in den Fluß stürzen und alles hinter sich haben. Er starrte wie betäubt auf die funkelnden Brillengläser des Doktors.
    • Aber der Heiler hatte ihn wieder im Griff, als ob er seine Gedanken erraten hätte, und sein Griff war aus Eisen. »Ich kann nichts für sie tun«, sagte er mit gedämpfter Stimme, todernst. »Ich bin nicht ihr Mann, nur ihr Arzt. Aber ich rate Ihnen, Sir, und ich rate es Ihnen aus tiefstem Herzen: Kümmern Sie sich um Ihre Frau.«
     
    Eleanor war nicht in ihrem Zimmer. Sie war nicht im Palmengarten, nicht im Clubraum der Frauenturnhalle. Will trug sein klapperndes Gestell treppauf und treppab, klopfte an die Türen von einem halben Dutzend Zimmern, in denen mit ihr befreundete Damen logierten, die sie bisweilen besuchte, pirschte sich an Virginia Cranehill und Mrs. Zachary Cornish, die Dame im gelben Taftkleid, heran. Niemand hatte sie gesehen. Verzweifelt und vor Wut kochend, ging er früh zum Mittagessen in der Hoffnung, sie dort stellen zu können, und dann saß er zwei Stunden lang da und hörte Hart-Jones zu, der von der Vogelvielfalt des Lake District schwärmte, wo er zum großen Leidwesen aller in Hörweite Sitzenden geboren und aufgewachsen war. Weder Badger noch Eleanor tauchten zum Essen auf.
    Um drei ließ Will eine Sitzung Medizinballwerfen unter der Leitung des Schweden mit den muskulösen Armen sausen und schaute statt

Weitere Kostenlose Bücher