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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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blühenden, gesundheitsfördernden Flora bevölkern, so daß Sie Ihr Essen richtig verdauen können. Halten Sie sich an Ihren Diätplan, halten Sie sich an das Übungsprogramm, und Ihre Magenprobleme werden der Vergangenheit angehören. In drei Monaten, Mr. Lightbody, in drei Monaten, Sir, werden Sie ein neuer Mensch sein.«
    Das Gespräch näherte sich dem Ende. Diese Tatsache allein schon munterte Will auf. Dazu kam der Hoffnungsschimmer, die leuchtende Vision eines hygienisch gesundeten Darms und eines befriedeten Magens. Er stand auf und riskierte einen eigenen Scherz. »Drei Monate, und es heißt: Willkommen in Wellville, was?«
    Kaum waren die Worte seinem Mund entfleucht, als Will klar wurde, daß er einen Fehler gemacht hatte. Ein Leichentuch legte sich über den Raum. Der Doktor erstarrte; Dab senkte den Blick und wich in die Ecke zurück. Will kämpfte gegen sein verlegenes Grinsen an. »Habe ich was Falsches gesagt?«
    Ein fürchterlicher, verkrüppelter Moment hinkte vorbei. »Wir gebrauchen hier keine Floskeln, Sir«, sagte der Doktor schließlich und kniff den Mund zusammen. »Nicht in dieser Institution. Ein billiger, marktschreierischer Slogan, mehr ist das nicht. Der Versuch eines Individuums, das … das –«
    Zum erstenmal während ihrer kurzen Bekanntschaft schienen dem Doktor die Worte zu fehlen. Und seine Gesichtsfarbe – die rosa Tönung des gesegneten Fleisches, der sorgenfreien, taufrischen Gesundheit – war einer häßlichen Röte gewichen, der Farbe einer wütend brutzelnden Wurst, die kurz davor ist, in der Pfanne zu platzen. Plötzlich fiel es Will wie Schuppen von den Augen: Willkommen in Wellville. Das war kein Slogan des Doktors, ganz im Gegenteil – es war ein Slogan C. W Posts. Jedes Fünfundzwanzig-Cent-Paket mit diesem Pulver aus verbranntem Kraut, das er als Kaffee-Ersatz verkaufte, enthielt eine missionarische, das positive Denken fördernde, selbstgefällige Broschüre, die die erbauliche Geschichte wiedergab, wie »Der Captain« gesundet war und ein Vermögen gemacht hatte. Und wie lautete der Titel dieser Broschüre? Wie lautete der Slogan, der jetzt jedem Amerikaner über die Lippen kam, ob Mann, Frau oder Kind?
    Will hatte einen Fauxpas begangen. Aber war das seine Schuld? Bevor der gute Doktor Eleanor in seinen Bann gezogen hatte, war für Will die ganze Bande Rohkostler, Hafer-Kleie-Irrer, Antivivisektionisten, indischer Fakire, Nudisten und dergleichen ununterscheidbar gewesen, alles die gleiche Mischpoke. »C.W. Post«, offerierte Will.
    Der Doktor stand in Flammen, alle Brenner fuhren Höchstleistung. Er riß den Schirm vom Kopf und warf ihn wie einen Fehdehandschuh auf den Tisch. »In diesem Haus erwähnen wir diesen Namen nicht«, donnerte er, hämmerte auf jedes Wort ein, als schlüge er Nägel in die Wand. »Niemals.«
    Will spürte, daß er sich entschuldigen sollte – er war unschuldig, er wollte nichts Böses, er war durcheinander, das war’s –, aber er hatte keine Gelegenheit dazu. Im nächsten Augenblick warf der Doktor wütend den Kopf herum und schrie nach Schwester Bloethal.
    Am anderen Ende des Zimmers ging eine Tür auf, und die Schwester rumpelte ins Zimmer, ohne jegliche Anmut, mit mächtigen Armen, das Haar unter der Schwesternhaube an den Kopf geklatscht wie Drahtstränge. Sie lächelte, aber diesem Lächeln mangelte jegliche Andeutung von Schwester Graves’ Offenheit oder auch nur von Mrs. Stovers Künstlichkeit; nein, Schwester Bloethals Lächeln war hart und selbstzufrieden, wies auf etwas noch Härteres hin. »Ja, Doktor?«
    Dr. Kellogg hatte seine Wut so schnell wieder gezügelt, wie sie über ihn gekommen war. Seine Stimme klang fest, sachlich. »Mr. Lightbody ist bereit für die Behandlung. Er bekommt die volle Ladung, gefolgt von der Molke -Lactobacillus- Kultur.Anschließend begleiten Sie ihn in den Speisesaal – und betonen Sie gegenüber Mrs. Stover noch einmal, daß er bis Freitag auf abführende Diät gesetzt ist, aber sie wird den Diätplan bereits haben.«
    Der Augenblick der Erlösung war gekommen, obwohl er sich anders gestaltete, als Will sich gedacht hatte. Er hatte mit Schwester Graves gerechnet, mit sanfter Hilfestellung, mit warmem Fleisch, und hier stand ihr absolutes Gegenteil. »Äh, Dr. Kellogg, danke, vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Will unbeholfen.
    Wieder die weiße Handfläche. »Nichts zu danken. Wir wollen nur, daß Sie wieder gesund werden.«
    »Doktor?«
    »Ja?«
    »Ich bin nicht sicher … das

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