Willkommen in Wellville
heißt, ich verstehe Ihre Anordnungen gegenüber der Schwester nicht ganz … äh, wo muß ich hingehen?«
Der Doktor sah streng auf, und Will spürte eine Anspannung in ihm, die nichts mit seiner unglücklichen Erwähnung von Post zu tun hatte – vielleicht nahm er es immer übel, wenn er zu jemandem aufsehen mußte. Seine Augen waren klar, kalt, der ungerührte Blick des Wissenschaftlers. »Schwester Bloethal wird Sie zu den Baderäumen führen. Das manuelle Klistier war in Fällen wie Ihrem nicht so wirksam, wie wir hofften. Wir haben zwei mechanisierte Systeme, die sehr effizient sind, sie können innerhalb von ein paar Sekunden bis zu fünfeinhalb Liter in den Darm pumpen – um eine ordnungsgemäße Evakuierung sicherzustellen.«
Ordnungsgemäße Evakuierung?
Zwei Herzschläge. Der Dampf gurgelte in den Rohren, Dab wischte sich die Stirn. »Keine Sorge, Schwester Bloethal wird Sie in die Einzelheiten einweihen.«
9.
PER-FO
Charlie Ossinings erste Mahlzeit in Battle Creek, seine erste Mahlzeit als geschäftsführender Direktor der Per-Fo Company, Ltd., in situ bestand aus einer Schale lauwarmer Fischbrühe und einer Handvoll altbackener Cracker. Er aß im Stehen, wie ein Bettler an einer Straßenecke, über die Schale gebeugt, sein Hinterteil an Mrs. Eyvindsdottirs Küchenherd gepreßt in der vergeblichen Hoffnung, daß die anämische Glut ein winziges bißchen Wärme spendete. Es war nach zwei Uhr nachmittags, und die anderen Mieter, vermutlich auch der bronchitische Bagwell, hatten bereits gefrühstückt und zu Mittag gegessen. Mrs. Eyvindsdottir stand an der Spüle und putzte Fisch mit einem verschrammten, erbarmungslos geschliffenen Messer. »Nur dies einmal«, warnte sie ihn in ihrem geduldigen, aber kaum verständlichen gurgelnden Tonfall, »ich Sie Essen geben spät. Aber nie mehr. Ist das richtig?«
Charlie nickte, kaum in der Lage, die Brühe bei sich zu behalten, in der Hechtgräten und Schuppen, Flossen und anderer nicht identifizierbarer Abfall schwammen. Er war immer ein guter Esser gewesen, und nach der schweren Nacht war er völlig ausgehungert, aber leider war der Brühe ein Nachgeschmack nach sumpfiger Erde und Laichkrautgewächs eigen, und auch der Anblick und der Geruch des Fisches in der Spüle verbesserten die Dinge nicht. Mrs. Eyvindsdottirs Messer blitzte auf, als sie mit der Klinge geschickt in die Kiemenschlitze von zwei riesigen, schlaffen gelbgrünen Hechten fuhr, die Köpfe abschnitt und sie in einen glänzenden Topf warf. Charlie sah kurz auf die bluttriefenden Kiemen und ein entseeltes, kaltes, erloschenes Auge und mußte den Blick abwenden. Er stellte die Schale auf den Herd.
»Schöner Fisch«, bemerkte die Vermieterin und machte stolz eine Kopfbewegung zu einem Korb in der Ecke, wo acht oder zehn Stück davon, jeder so lang wie ein Männerbein und hartgefroren, gegen die Wand lehnten. Charlie wußte es noch nicht, aber an jedem Tag der nächsten Woche sollte er Hecht bekommen, in den verschiedensten Macharten zubereitet, zum Frühstück, zum Mittag- und zum Abendessen. Mrs. Eyvindsdottir war verwitwet, stämmig und sparsam, und ein Trapper, der am Gull Lake lebte und von ihren Reizen ganz besonders verzaubert war – ein gewisser Bjork Bjorkson –, versorgte sie mit Bergen von Fisch und Wild. Eine Woche war es Hecht, die nächste Bisamratte, Biber, Luchs oder Waldmurmeltier. Nein, Charlie wußte es noch nicht, aber er sollte den Tag verwünschen, an dem Bjork Bjorkson ins Leben der Vermieterin getreten war, und sein ganzes Magendarmsystem sollte beim Adjektiv »schön« blockieren, wenn es im Zusammenhang mit einem pelzigen, mit Flossen versehenen oder gefiederten Geschöpf zur Anwendung kam. Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch noch naiv genug, ihr beizupflichten. »Ja, schön«, stöhnte er.
Den Rest des Nachmittags verbrachte er damit, Bender zu suchen. Der geniale Erfinder und derzeitige Schatzmeister der Per-Fo Company hatte an der Rezeption des Post Tavern Hotel eine etwas kryptische Nachricht für ihn hinterlassen: Bin im Goguac Btsclb. Mittagessen m. Stellrechter wg. Per-Fo-Schach. Morgen 11.00 Treffen wg. Fabrikbesichtigung, Verona Wattles. Hochachtungsv. & m. best. Wünsch. Good. Charlie stand lange am Empfangstisch aus poliertem Marmor und las die Nachricht wieder und wieder. Der Gedanke, daß er verschlafen und das Mittagessen verpaßt hatte, war ihm überaus peinlich, aber andererseits war unklar, ob er überhaupt eingeladen gewesen war oder nicht –
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