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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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hatte Bender in der Nacht zuvor diesbezüglich irgend etwas verlautbart? Er konnte sich nicht erinnern. Er war zu müde gewesen. Und zu betrunken. Aber wenn er nicht eingeladen gewesen war, dann hätte er es verdammt noch mal sein sollen – er spürte, wie Ärger in ihm hochstieg. Er war schließlich der geschäftsführende Direktor dieser verfluchten Firma, und wo immer und was immer der Goguac-Bootsclub war, so hegte er doch den starken Verdacht, daß das Essen dort eine Verbesserung gegenüber Mrs. Eyvindsdottirs zimmerkalter Fischbrühe darstellte.
    Nun gut. Was sollte er tun? Vielleicht handelte es sich um ein spätes Mittagessen und er käme noch rechtzeitig, oder sie saßen im Rauchzimmer bei einem Glas Sherry und einer Zigarre. Er stellte sich eine rustikale Hütte vor mit einer hohen Balkendecke und einem großen prasselnden Feuer im steinernen Kamin, Kellner in weißen Jacketts, die mit respektvoll geneigtem Kopf ein- und ausgingen, Bender und Stellrecht, die sich in brüderlichem Tonfall leise über Schachteln unterhielten. Sie wollten sie steif, nicht wahr? Aus Pappe. Und wie würde sie geliefert – als Ries, als Rolle? Sie verschiffen täglich sechs Wagenladungen, Charlie, sechs Wagenladungen täglich. Charlie hatte nicht die leiseste Ahnung vom Frühstückskostgeschäft, und er war der erste, der das auch zugab – aber wie sollte er jemals etwas lernen, wenn Bender ihn von jedem routinemäßigen Geschäftstreffen ausschloß? Oder schlimmer noch: wenn er verschlief und sich selber ausschloß?
    Auf Nachfrage teilte man Charlie an der Rezeption mit, daß eine Straßenbahn zum Goguac Lake, zu einem Erholungsgebiet südlich der Stadt, hinausfuhr, aber zu seinem Bedauern mußte er hören, daß sie nur im Sommer verkehrte. Da er die ganze Strecke von Mrs. Eyvindsdottirs Pension bis zum Hotel in einem subarktischen Sturm und über Gehwege, die vereist waren wie Rodelbahnen, zu Fuß gegangen war, beschloß er in eine Droschke zu investieren und sich jedes weitere Risiko einer Lungenentzündung oder eines Beinbruchs zu ersparen. Und er mußte sich deswegen auch nicht schuldig fühlen – er war leitender Angestellter, oder etwa nicht? Geschäftführer sogar. Wenn Bender sich verpflichtet fühlte, mit Mrs. Hookstrattens Geld Eindruck zu schinden, warum sollte er es dann nicht auch tun? »Zum Goguac-Bootsclub«, kündigte er dem Kutscher hoheitsvoll an, dann ließ er sich wie ein gelangweilter Adliger auf den Sitz sinken.
    Der Kutscher, ein müde aussehender, verhutzelter weißhaariger Gnom, saß vornübergebeugt über einer noch müder aussehenden Mähre, von der in der Kälte der Straße beständig eine Dampfwolke aufstieg. Er wandte sich auf seinem Sitz um. »Kann mir nicht vorstellen, daß Sie wirklich dorthin wollen«, sagte er, räusperte sich nachdenklich und spuckte einen schimmernden Schleimball auf die Straße. Sie befanden sich unter der pompösen überdachten Brücke, die den zweiten Stock des Post Tavern Hotel mit dem Post Building auf der anderen Straßenseite verband. Der Türsteher des Hotels, der stocksteif wie ein Indianer vor einem Tabakwarenladen Posten bezogen hatte, beobachtete sie interessiert.
    Vielleicht lag es am Türsteher oder am Wetter oder an der Fischbrühe oder vielleicht daran, daß ihn die ehrfurchtgebietende Verantwortung, Mrs. Hookstrattens Geld zu sparen, noch immer nervös machte, jedenfalls fiel Charlies Antwort nicht übertrieben höflich aus. »Zum Goguac-Bootsclub«, wiederholte er und knirschte nachdrücklich mit den Zähnen.
    Der Kutscher rührte sich nicht. Jenseits der Kurve seiner Schultern und der Krempe seines Hutes lag der tote Himmel, öde und trostlos. War es hier immer so kalt? fragte sich Charlie, und er sah C.W. Post vor sich an der französischen Riviera, in Italien, in Post City, Texas, er sah die Sonne, die den Boden austrocknete, bis er Risse bekam wie ein Ziegelstein im Brennofen. Nach einer Weile beugte sich der Mann wieder zur Seite, um einen weiteren Schleimball auszuhusten. Er wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab, und ohne sich die Mühe zu machen, den Kopf zu wenden, brummelte er: »Wohin?«
    »Sind Sie taub?« Charlie hatte unwillkürlich die Stimme erhoben. »Zum Goguac-Bootsclub. Na los, Mann, machen Sie schon. Auf mich warten dringende Geschäfte.«
    Der Kutscher drehte sich halb um, so daß er im Profil zu sehen war. »Kann mir nicht vorstellen, daß Sie wirklich dorthin wollen«, wiederholte er, und Charlie war kurz davor, wütend aus

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