Willkommen in Wellville
war, George, wieder einmal George – war der Junge mit zwei Männern in seinem Büro erschienen. Der Doktor hatte gerade den Operationssaal verlassen und sich an seinen Schreibtisch gesetzt, um schnell Mittag zu essen und gleichzeitig zwei Dutzend Briefe zu diktieren und sich mit Murphy, Lillians Pfleger, wegen ihres plötzlichen Appetitverlustes zu beratschlagen, als es an der Tür klopfte. Das Klopfen als solches war schon ungewöhnlich: niemandem vom Personal und höchstens den wichtigsten Patienten wäre es je in den Sinn gekommen, den Doktor unangekündigt zu behelligen; nur in den allerdringlichsten Notfällen durfte er gestört werden. Dab legte sein Stenogramm beiseite und erhob sich, um zu öffnen, und da standen sie, eine unheilige Allianz, so der Doktor je eine gesehen hatte.
George bot einen überraschenden Anblick. Er war sauber rasiert, nahezu vorzeigbar gekleidet, er trug Stiefel, die lediglich abgestoßen, aber an den Zehen noch nicht löchrig und an den Fersen noch nicht heruntergelatscht waren, und er schien irgendwann während der letzten Woche den Weg in eine Badewanne und wieder heraus gefunden zu haben. Der Mann rechts von ihm war ein großer, polternder älterer Kerl, ungefähr Mitte Sechzig, schätzte der Doktor, mit einem lächerlichen Bart und einer Weste aus einem glänzenden, eindeutig goldfarbenen Material. Der andere, etwas älter als George und auf billige, jedoch vulgär modische Weise gekleidet, hatte das unbekümmerte gute Aussehen und das unnatürlich forsche Auftreten des Hochstaplerlehrlings. Niemand rührte sich. Niemand sprach ein Wort. George setzte ein Lächeln auf.
Der Doktor brauchte volle fünf Sekunden, bis er reagieren konnte, und währenddessen durchlief er die emotionale Skala von Überraschung über Verwunderung zu blanker Wut. Dab erbleichte. Murphy, ein geschmeidiger, knochiger Schlangenmensch, dessen Gesicht überwiegend aus Augenbrauen und Nase zu bestehen schien, wand sich ehrerbietig auf seinem Stuhl. »Was soll das bedeuten?« stieß der Doktor hervor.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Vater« ,sagte George und drängte sich mit seiner Eskorte in den Raum, »ich weiß, ich hätte wie all die anderen Bittsteller um eine Audienz bei dir nachsuchen sollen, aber ich dachte … also ich dachte, daß du mich sehen willst.«
»Ich und dich sehen wollen?« Der Doktor konnte es nicht fassen. »Weswegen?« Der Junge brachte ihn in Rage mit seinem schmierigen Grinsen und der altbekannten, salbungsvollen Weise, mit der er seine Äußerungen vorbrachte.
»Geschäfte.«
Der ältere Mann, der mit dem gefärbten Bart und der schillernden Weste, wollte etwas sagen, aber der Doktor ließ ihn nicht zu Wort kommen. Er starrte sie der Reihe nach finster an, ein ausbrechender Vulkan physiologischer Wut, und dann spuckte er die Worte aus, als würden sie gleich in seinem Mund Feuer fangen. »Ich mache keine Geschäfte mit dir. Jetzt nicht. Und in Zukunft nicht.«
Die kleine Gruppe stand unsicher neben der Tür. George rieb sich die Hände, als ob er sie wärmen wollte. Sein Grinsen war unnatürlich, haßerfüllt, eine Zurschaustellung zerfressenen Zahnfleisches und gelber Zähne, die genügte, damit sich dem Doktor der Magen umdrehte. Schließlich sagte er: »Oh, Vater, ich glaube, da täuschst du dich.«
Was folgte, war eins der jämmerlichsten Schauspiele, die der Doktor je erlebt hatte. Obwohl er sie ungeduldig zur Tür hinauswinkte, wobei Dab und Murphy für den nötigen Nachdruck sorgten, und obwohl er sie im Flur eine gute Dreiviertelstunde schmoren ließ, war klar, daß sie nicht die Absicht hatten zu gehen. Selbstverständlich hätte er sie gewaltsam aus dem Gebäude entfernen lassen können, aber dann riskierte er, daß George eine Szene machte. Nein, entschied er, er würde sie empfangen – sie anhören – müssen, obwohl ihm bei dem Gedanken die Galle hochkam. Er nahm sich Zeit für die Briefe und die Ratschläge für Murphy (die im wesentlichen darin bestanden, Lillians Rationen mit Protose-Abfällen aus der Küche zu verstärken und ihre Eingeweide mit Psyllium und hijiki zu reinigen), dann erhob er sich seufzend vom Schreibtisch und riß die Tür auf, um die Störenfriede einzulassen.
Murphy vollzog einen raschen Abgang, wobei seine Augenbrauen wie Raupen über sein Gesicht krochen, und Dab postierte sich abwehrbereit hinter seinen Boss. George lächelte nicht mehr, und das Trio blickte sehr geschäftsmäßig drein, als es zu den Klängen von What Child
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