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Willkür

Willkür

Titel: Willkür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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dass er so viel arbeite, dass ihre freien Tage niemals zusammenfielen — all das brachte das Fass zum Überlaufen. Er holte aus und schlug zu, nur damit sie endlich die Klappe hielt. Danach legte sie erst richtig los, zeterte, dass sie ihn hasse, warf die Tür hinter sich ins Schloss und war weg.
    Jetzt brauchte er irgendetwas für seinen Seelenfrieden. Er durchsuchte ihren Kühlschrank, fand ein paar Dosen ihres Lieblingsbiers und machte es sich mit einer davon in ihrem Fernsehsessel bequem, die Fernbedienung auf seinem Schoß.
    Die erste Meldung auf Channel Seven gab den Tod der zehnjährigen Clare Ng bekannt, die am Morgen in Richmond durch eine Autobombe ums Leben gekommen war. Zunächst sei man davon ausgegangen, eine undichte Stelle in der Benzinleitung habe die Explosion ausgelöst. Doch mittlerweile habe die Polizei Anhaltspunkte, dass im Kofferraum des neuen Mercedes der Familie Ng, der in der Seitenstraße hinter dem Restaurant, das der Vater des Opfers, ein bekannter Geschäftsmann und aller Voraussicht nach der nächste Bürgermeister von Richmond, betreibe, ein Sprengsatz deponiert worden sei. Der Pressesprecher der Polizei sagte, es sei vorstellbar, dass Clare Ng die Explosion ausgelöst habe, als sie den Kofferraum öffnete.
    Es gab noch mehr dazu. Der scheidende Bürgermeister sprach von einer Schandtat. Clare sei überall beliebt gewesen. Die Ngs seien angesehene Bürger. Die Polizei wollte nicht ausschließen, dass die Drahtzieher des Anschlags in der vietnamesischen Community zu finden seien.
    Was zum Teufel hatte die Kleine am Kofferraum zu suchen?, fragte sich Napper. Er stellte sich den Moment vor, als die Klappe hochging und der Kleinen um die Ohren flog. Dann stellte er sich seine Tochter in einer derartigen Situation vor, und das Bier und das Panadol und die Fanta begannen, in seinem Magen zu revoltieren. Er stützte den Kopf in beide Hände und schaukelte sanft vor und zurück.
    Sportnachrichten und die Wettervorhersage folgten, dann Lacher aus der Konserve und Werbespots für Dinge, mit denen Napper absolut nichts anfangen konnte. Er ging zurück in die Küche, schüttete das Bier weg und spülte Tinas Geschirr. Dann wärmte er ein Fertiggericht in der Mikrowelle auf, gab Instantkaffee in einen Becher mit Wasser und stellte auch den in die Mikrowelle. Die Nacht war lang und er brauchte einen klaren Kopf.
    Um zehn nach acht betrat Napper das Revier. Das Bombenattentat hatte alle aufgeschreckt, der Boss warnte, das nächste Mal könnte es in ihrem Bereich einschlagen, also wachsam sein, Leute, Augen und Ohren offen halten!
    Zwanzig nach acht kam eine junge Kollegin an seinen Schreibtisch. »Alles in Ordnung, Sir?«, fragte sie besorgt.
    »Was meinen Sie damit?«
    Sie zuckte leicht mit den Schultern. »Sie sehen nur etwas mitgenommen aus. Übrigens, da war ein Anruf für Sie.«
    »Von wem?«
    »Wollte seinen Namen nicht nennen. Sagte, er versucht es später noch mal.«
    Malan.

    ***

    Napper verließ das Revier und ging zu einem öffentlichen Fernsprecher. »Hören Sie, rufen Sie mich niemals wieder auf der Dienststelle an!«
    »Sie haben’s versiebt«, sagte Malan.
    »Ich konnte doch nicht ahnen, dass die Kleine den Kofferraum öffnet.«
    »Ihr Tennisschläger war im Kofferraum. Warum war die Ladung so enorm groß? Warum haben Sie den Zünder nicht woanders angebracht? Es heißt, das ganze Heck des Wagens sei hochgegangen.«
    »Es war ein Unfall.«
    »Es war kontraproduktiv! Ng kriegt jetzt den Mitleidsbonus. Anstatt vor Angst zu schlottern, schwimmt er ganz oben auf der Sympathiewelle. Die Leute scharen sich jetzt schon um ihn.«
    Napper hatte keine Zeit, sich diesen Mist anzuhören. Seit einer Stunde ging es ihm wieder besser und er betrachtete den Tod des Mädchens nüchterner. Unschön, aber nicht rückgängig zu machen. »Das ist alles nicht gesagt«, erwiderte er. »Sie haben mir einen Auftrag erteilt und ich hab ihn ausgeführt. Ich komm später vorbei und hol mir mein restliches Honorar.«
    »Sie machen Witze. Wenn Sie mir jemals wieder zu nahe kommen, packe ich aus. Auch wenn das mein eigener Untergang ist.«
    Am Ende stand Napper in der Swan Street, einen Telefonhörer am Ohr, aus dem kein Laut mehr drang.

    DREIUNDZWANZIG

    Die Tage wurden länger und vor dem Kiosk am Eingang zur U-Bahn drängten sich haufenweise Pflanzen, die Wyatt noch nie im Leben gesehen hatte. Kleine Schilder mit botanischen Namen baumelten an den Stängeln und Blattachseln: ›Protea‹, ›Heliconia‹,

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