Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkür

Willkür

Titel: Willkür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
Vom Netzwerk:
durchschritten ihn in ganzer Länge, diskutierten mit gedämpfter Stimme mögliche Aufteilungen, die Art der Beleuchtung und Klimaanlagen. Der Makler hielt sich in ihrer Nähe, nicht ohne ab und an einen Blick auf seine Uhr zu werfen.
    Schließlich blieben Wyatt und Jardine an der Fensterfront aus getönten Scheiben stehen. Von hier aus hatte man einen Blick auf das stählerne Rückgrat der Harbour Bridge und die gläsernen Türme der City von Sydney. Eines der Fenster ging hinaus auf einen Balkon. Wyatt zog nur mal so am Fenstergriff.
    »Moment, ich zeige es Ihnen«, sagte der Makler.
    Er betätigte den Griff und schob die Glastür beiseite. Die Luft, die von draußen hereindrang, roch nach Staub und Abgasen. Jardine und Wyatt traten hinaus auf den Balkon und taten so, als genössen sie den Blick auf Sydney. Aber nur kurz. Die fünfte Etage verfügte über einen Balkon an gleicher Stelle und mehr wollten sie nicht in Erfahrung bringen.
    Der Makler blickte wieder auf die Uhr. »Genau das Richtige für die Herren, nehme ich an.« Wyatt und Jardine schienen unentschlossen. Sie baten darum, auch noch Räume im vierten und siebenten Stock besichtigen zu können. Der Makler ließ durchblicken, dass im zweiten und im neunten Stock ebenfalls Räume zu vermieten seien. Doch Wyatt bedankte sich höflich, sagte, sie hätten nun genug gesehen und würden übers Wochenende eine Entscheidung treffen, man höre Anfang der Woche von einander.
    »Denken Sie dran«, sagte der Makler, als sie auf der Straße standen, »bei einem langfristigen Vertrag sind die ersten sechs Monate mietfrei!«
    Kurz vor achtzehn Uhr kamen Wyatt und Jardine zurück. Diesmal in dunklen Overalls, mit Sturmhauben und Latexhandschuhen. Wyatt trug eine Sporttasche, Jardine hatte eine Aluleiter geschultert. Als sie das Gebäude betraten und über den Marmorboden des Foyers gingen, ließ der Portier seine Zeitung sinken und rief: »Kann ich euch weiterhelfen, Jungs?«
    Das Foyer war menschenleer. Als Erstes lehnte Jardine die Leiter gegen den Empfangstresen, dann stellte er sich neben Wyatt, um genau wie der die Unterarme auf die Tresenplatte zu legen. Ohne Vorwarnung langte er hinüber und versetzte dem Portier einen kräftigen Stoß gegen die Brust. Der Stuhl des Portiers lief auf Rollen, durch den Stoß schoss er nach hinten, so schnell, dass der Mann den Alarmknopf nicht mehr betätigen konnte. Als der Stuhl zum Stehen kam und der Mann aufstehen wollte, war Wyatt längst bei ihm und kitzelte seine Kehle mit der .38er. Der Portier stellte die für diese Situation typische Frage: »Was wollt ihr von mir?« Seine Stimme zitterte.
    Wyatt ließ die Waffe sinken; zwar befand sie sich noch im Blickfeld des Portiers, die Bedrohung war noch gegenwärtig für ihn, doch das grausame schwarze Loch der Mündung zielte jetzt auf den Boden. Der Mann schluckte, nahm all seinen Mut zusammen und fragte noch einmal: »Was wollt ihr?« Für Wyatt war es Teil des Jobs, sich in einen Menschen wie diesen hier hineinzuversetzen. Er wusste, hinter der Angst lauerte das Gefühl von Scham. Als Portier hatte man Pflichten und diese Pflichten hatte man nicht erfüllt. Möglicherweise führte diese Erkenntnis zu einer unüberlegten Handlung. Wyatt wollte die Angst und das Gefühl von Scham schmälern, also fragte er im freundlichen Ton: »Wie heißen Sie?«
    Ein paar ölige Haarsträhnen hatten sich selbstständig gemacht und hingen nun wie gekochte Spaghetti über dem rechten Ohr des Portiers. Mit einer Handbewegung schob er sie auf seinem nahezu kahlen Schädel nach hinten. Bestrebt, nur keinen Fehler zu machen, fragte er: »Mit Vornamen oder Nachnamen?«
    »Der Vorname reicht.«
    Der Mann kämpfte schluckend gegen die Mundtrockenheit an. »Bill«, brachte er endlich hervor.
    »Bill«, wiederholte Wyatt. »Nun, Bill, wir möchten, dass Sie uns behilflich sind.«
    »Behilflich? wobei?«
    »Werden Sie zu Hause von Ihrer Frau erwartet?«
    »Bin Single«, murmelte Bill.
    »Okay, dann müssen Sie also niemanden anrufen, wenn’s mal ein bisschen später wird?«
    »Nein.«
    »Wir brauchen mal kurz Ihre Schlüssel, Bill. Dann möchten wir Sie bitten, die Eingangstür abzuschließen und ein paar Lampen auszuschalten, damit es so aussieht, als wäre niemand mehr hier. Würden Sie das machen?«
    »Und wozu die Waffe? Was haben Sie vor?«
    »Es tut mir Leid, Bill, wir sind in Eile. Doch ich versichere Ihnen, dass wir nicht vorhaben, jemanden zu erschießen, okay?«
    Bill nickte. Wyatt begleitete

Weitere Kostenlose Bücher