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Willkür

Willkür

Titel: Willkür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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teilte sich das Haus mit einer anderen allein erziehenden Mutter, einer Rechtsanwältin. Ein Zusammentreffen mit dieser Person stand heute nicht zu fürchten. Ein unangebrachtes soziales Gewissen trieb sie nämlich jeden Freitagnachmittag in die Rechtsberatung von Fitzroy, wo sie dem Abschaum Beistand leistete, damit der sich um Geldbußen und Haftstrafen herummogeln konnte. Josie passte derweil auf die Kinder auf. Napper klopfte noch einmal. Das Reihenhaus war frisch renoviert und nun hatte die Tür endlich die gleiche Farbe wie alle anderen Türen in Fitzroy — Deep-Brunswick-Green.
    »Was willst du hier?«, wurde er begrüßt und im selben Atemzug »Geh wieder nach hinten, Roxanne! Also, was willst du hier?«
    Napper erhaschte noch einen kurzen Blick auf seine Tochter, die zuerst begeistert schien, dann beleidigt dreinsah, als ihre Mutter ihr den Weg versperrte und die Tür hinter sich heranzog. Josie stand jetzt auf der Fußmatte und funkelte ihn an.
    »Ein paar Worte unter zivilisierten Menschen, Josie.«
    »Zivilisiert? Wärst du ein zivilisierter Mensch, bräuchte ich keine Gerichtsbeschlüsse. Ich geh jetzt wieder rein, denn ich hab dir nichts zu sagen.«
    Immer dasselbe. Immer diese schrille, vorwurfsvolle Stimme, dieses verkniffene, verbitterte Gesicht. Angewidert sagte Napper: »Hör zu, ich bin momentan ein bisschen knapp bei Kasse.«
    »Und was ist mit mir? Meinst du, ich kann die Scheine nur so drucken?«
    Napper war der Ansicht, dass sein schwer verdientes Geld Roxanne zu teuren Markenjeans verhalf und Josie ein Uni-Diplom ermöglichte, mit dem sie sich allenfalls den Hintern wischen konnte, und für ihn lief das alles auf endlose Schikane hinaus. Doch es war auch das alte Spiel gegenseitiger Vorwürfe und Verdächtigungen, das sie beinahe instinktiv spielten. Also versuchte er einzulenken. »Ich möchte nur eine Einigung, die fair ist, mehr nicht. Das Gericht hat wesentliche Punkte nicht in Betracht gezogen.«
    »Und was genau, bitte? Dass du mindestens hundert Dollar die Woche für Bier und Schnaps brauchst? Dass es auch noch für einen Besuch im Puff reichen muss?«
    Napper errötete. »Ich lebe bereits am Rande des Existenzminimums — «

Josie zuckte nur mit den Schultern.
    » — während du an der Uni rumhängst und dich einen Dreck um unsere Tochter kümmerst.«
    »Das darf doch nicht wahr sein! Der Staat hat die Pflicht, mich vor solch einem Mist zu schützen. Mehr sag ich nicht dazu.«
    Sie wollte zurück ins Haus, als Napper sie an der Schulter packte und herumriss. »Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!«, schrie er.
    Sie befreite sich aus seinem Griff. »Du bist doch das Letzte! Ich werde dich wegen Nötigung anzeigen. Roxanne hast du auch aufgelauert, neulich, im Schwimmbad. Langsam frage ich mich, was du ihr angetan hast, als wir noch zusammengewohnt haben.« Napper verschlug es die Sprache, er wich zurück. Hinter seinen Augen machte sich ein Schmerz bemerkbar, eine dieser Schädel spaltenden Kopfschmerzattacken. Er presste seine Finger gegen die Schläfen und machte mehrere Male den Mund auf und wieder zu. »Du bringst mich noch um den Verstand«, stieß er hervor.
    »Das kannst du doch selber viel besser«, gab Josie zurück und schlüpfte, dicht an die Tür gepresst, zurück ins Haus. »Du willst die Sache also nochmals vor Gericht verhandeln lassen? Okay. Aber denk dran, du schuldest mir neuntausend Dollar.«
    »Jetzt nur noch siebentausendfünfhundert!« Napper schleuderte ihr Malans Geld vor die Füße. »Abzüglich weiterer eintausendfünfhundert, die du morgen bekommst.«
    Sie machte keine Anstalten, das Geld aufzuheben, sie machte gar nichts, sagte nicht einmal danke. Napper warf das schmiedeeiserne Gartentor hinter sich zu. Er wollte nur noch weg von hier. Sein Kopf drohte zu zerspringen. Da war noch Panadol im Handschuhfach. Er beugte sich hinüber, um es zu öffnen, als seine Absätze ein weiteres Stück des Bodens lockerten und ihn an die übrigen Rostlöcher erinnerten. Er nahm drei Panadol, versuchte, sie mit ein wenig Speichel hinunterzuwürgen, doch sie blieben im Hals stecken. Also mühte er sich aus dem Auto, kaufte sich drüben am Kiosk eine Dose Fanta und kippte sie hinunter.

    Halb sieben. Noch eineinhalb Stunden, bis die Nachtschicht losging. Er beschloss, bei Tina vorbeizuschauen. Vorsichtshalber öffnete er alle Fenster, um sich durch eindringende Abgase nicht zu vergiften. Aber auch mit Tina hatte er heute wenig Freude. Sie warf ihm an den Kopf,

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