Willst du meine Liebe nicht
er sich um, “der Boss sagte … Nun ja, er wollte, dass Sie den Wagen nehmen.”
Sie bemerkte an ihm die gleichen Anzeichen von Furcht wie beim Chauffeur. Dem “Boss” musste man gehorchen. War dies der Rico, den sie einst gekannt und geliebt hatte?
Nein, er war nicht länger jener Rico. Er war ein anderer Mann. Es war besser, wenn sie dies nie vergaß.
Sie eilte in den Club. Auf der Bühne stand jetzt ein Klavier, an dem ein kahlköpfiger Mann mittleren Alters saß. Bei ihrem Anblick erhob er sich sofort und ging mit ausgestreckten Händen auf sie zu.
“Ich bin Carlo Peroni, der musikalische Direktor. Es freut mich außerordentlich, Sie kennen zu lernen.”
Julie mochte ihn auf Anhieb und wusste, sie würde gut mit ihm harmonieren.
Bei Tag sah der Club ganz anders aus. Die Tische waren abgedeckt, und die Beleuchtung war grell. Julie war jedoch mit der Atmosphäre zufrieden. Sie war zum Arbeiten hier und wollte sich auf einen Auftritt vorbereiten, der ihrem Publikum gefallen sollte. Der Job half ihr, schmerzliche Erinnerungen und Kummer zu verdrängen und sich ganz in die Musik zu versenken.
Sie probten ein paar Songs, und allmählich entspannte sich Julie. Ihr Seelenfrieden geriet allerdings sogleich wieder ins Wanken, als eine Tür zugeworfen wurde und jemand in den Saal stürmte.
Rico kam mit großen Schritten auf sie zu und blieb vor der Bühne stehen. Er war wütend. “Guten Morgen.”
Er trug ein weißes Hemd und eine Freizeithose, wirkte aber trotz aller Lässigkeit sehr elegant. Hatte er früher wirklich schäbige Jeans bevorzugt?
“Ich hatte dir den Wagen geschickt”, sagte er aufgebracht.
“Ich bin lieber gelaufen.”
“Und mir wäre es lieber, wenn du meine Wünsche befolgen würdest.”
Man brauchte einigen Mut, um einem Mann wie ihm die Stirn zu bieten, doch Julie zwang sich dazu. “Versuch nicht, jede meiner Bewegungen zu kontrollieren, Rico. Ich bin hier und werde den Vertrag erfüllen, mehr nicht. Ich bin nicht dein Eigentum.”
“Ich dachte, ich hätte dir das Gegenteil klargemacht.”
“Das bildest du dir nur ein, denn ich lasse es nicht zu. Du bist ein völlig anderer Mensch geworden, und ich kenne dich nicht mehr…”
“Darüber reden wir später, wenn …”
“Auch ich habe mich verändert. Ich werde hier bleiben, aber notfalls werde ich gegen dich kämpfen.”
Seine Miene wurde abweisend. Dann zuckte er die Schultern.
“Nun gut, wenn du unbedingt Krieg willst …” Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und lehnte sich erwartungsvoll zurück.
“Willst du hier bleiben?” fragte sie irritiert.
“Warum nicht? Ich habe schließlich einiges in dich investiert und möchte mich nun von deinen Fortschritten überzeugen. Hast du etwas dagegen?”
Da Widerspruch zwecklos war, zuckte sie nur die Schultern und kehrte ans Klavier zurück, an dem Carlo inzwischen ein paar leise Fingerübungen gemacht hatte. Er nickte Rico kurz zu.
Julie dämmerte, dass er einer der wenigen Menschen war, die sich nicht vor dem “Boss” fürchteten.
Nachdem sie noch eine Weile geprobt hatten, legten sie eine kleine Pause ein. Für Julie hatte man Kaffee an Ricos Tisch gebracht. Sie ertrug die Situation nicht länger. “Bitte geh”, sagte sie so ruhig wie möglich. “Du lenkst mich von der Arbeit ab.”
“Ich bin sicher, dass ein erfahrener Profi wie du sich nicht so leicht ablenken lässt”, erwiderte er. “Außerdem wollte ich unbedingt mit ansehen, wie du deinen Charme einsetzt.”
“Was ich auf der Bühne mache, ist nur gespielt. Es hat nichts mit dem gemein, was ich im Privatleben empfinde.”
“Unsinn. Niemand weiß besser als ich, dass dein Privatleben auch nur Show ist.”
“Du hasst mich tatsächlich, oder?”
“Gut, dass du es endlich merkst.”
“Wie lang kann Hass andauern, Rico?”
“Länger als Liebe.” Er hob die Stimme, damit Carlo ihn ebenfalls hören konnte. “Ich habe Julie gebeten, mir zuliebe den Titel ,Whatever Happened to My Heart?’ zu singen.”
“Nein”, rief sie. “Nicht dieses Lied. Ich kenne den Text nicht mehr, und Carlo dürfte auch keine Noten dazu haben.”
“O doch”, versicherte Rico. “Ich habe dafür gesorgt, dass ihm eine Kopie zugeschickt wurde. Er hat es bereits einstudiert, nicht wahr, Carlo?”
“Tag und Nacht”, verkündete der rundliche kleine Mann fröhlich. “Der Boss hat nämlich gesagt, dies sei ein ganz besonderer Song für ihn.”
Und das Wort vom Boss war Gesetz. Einmal mehr erschrak Julie, wie
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