Willst du meine Liebe nicht
Stufen vor dem Portal hinauf. Im Haus sahen sie Rico und Mariella.
Das Starlet trug ein tief ausgeschnittenes, hautenges Kleid und Unmengen kostbaren Schmucks, eine Aufmachung, die am Abend passender gewesen wäre. Mit scharfer Stimme, die in sonderbarem Kontrast zu ihrem sonst so atemlosen Tonfall stand, erteilte sie den Dienstboten Anweisungen. Das Personal eilte nervös hin und her.
Kaum erblickte Mariella die Neuankömmlinge, setzte sie ein strahlendes Lächeln auf und trippelte mit ausgestreckten Händen über den Mosaikboden auf sie zu. “Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind”, schmeichelte sie. “Wir sind schon sehr gespannt auf Ihren Auftritt. Eigentlich hätten Sie ja die Hintertür benutzen sollen, aber egal.”
“Entschuldigung.” Julie zuckte bei diesem Seitenhieb mit keiner Wimper. “Leider hat uns niemand gesagt, wo der Lieferanteneingang ist.”
Mariellas Lächeln wirkte ein wenig gezwungen.
“Warum auch?” Rico war unbemerkt hinter sie getreten. “Ihr seid schließlich keine Lieferanten.”
“Wir sind Künstler, die für diesen Abend engagiert wurden”, erinnerte ihn Julie. Sie sah, dass er über Mariellas Taktlosigkeit verärgert war.
“Du bist mein Ehrengast”, erklärte er nachdrücklich.
“Mariella, welchen Raum hast du für Julie reserviert?”
“Raum? Aber wieso …”
“Sie muss sich irgendwo auf ihren Auftritt vorbereiten.”
“Ja, natürlich. Sie kann mein Zimmer benutzen. Ich bringe sie hin.”
Als sie durch das Haus gingen, wies Mariella voller Stolz auf die unzähligen Kostbarkeiten hin. Ihr eigenes Zimmer war ein prunkvolles Gemach, das von einem riesigen Himmelbett beherrscht wurde. “Das bequemste Bett der Welt”, wie sie versicherte.
“Die alte Matratze war ziemlich durchgelegen”, vertraute sie Julie an. “Also habe ich Rico gesagt, dass ich unbedingt eine neue haben muss. Er sagte, ich solle bestellen, was ich will, und ich habe im Geschäft angerufen und ,ein Bett für Liebende’
verlangt. Ich finde, bei der Liebe sollte alles perfekt sein, meinen Sie nicht auch?”
Julie sah sie fest an. “Ich meine, dass es weitaus mehr als einer Matratze bedarf, um Liebe perfekt zu machen. Danke für Ihre Gastfreundschaft.”
Wortlos drehte Mariella sich um und verließ das Zimmer.
Lächelnd schaute Julie ihr hinterher, wurde jedoch sogleich wieder ernst, als sie allein war. Es war leicht, sich über die Dummheit und Gier der jungen Schönheit zu amüsieren, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass sie bei Rico war und sich als Hausherrin aufspielte.
Es tut weh, dachte Julie bekümmert. Trotz aller guten Vorsätze, nicht wieder auf ihn hereinzufallen, schmerzte es, ihn zusammen mit einer anderen Frau zu sehen und Mariella über
“meinen Rico” oder über das Bett “für Liebende” reden zu hören.
Julie hätte ihr sagen können, dass es einerlei war, ob man auf einer mit Lumpen gefüllten Matratze oder auf seidenen Kissen lag, solange man nur mit dem Mann zusammen war, den man liebte.
Nach einer Weile machte sie sich auf die Suche nach der Gemäldegalerie. Ihre Schritte hallten auf dem Marmorboden wider. Sie fühlte sich in den hohen, weitläufigen Räumen mit den üppigen Fresken ein wenig verloren und brauchte plötzlich dringend frische Luft.
Als sie ins Erdgeschoss kam, spürte sie eine leichte Brise und bemerkte, dass eine der Terrassentüren geöffnet war. Erleichtert eilte sie hinaus - und blieb wie angewurzelt stehen. Sie hatte den Eindruck, in der Zeit zurückversetzt worden zu sein.
Es war unmöglich, aber wahr.
Sie war schon einmal hier gewesen.
7. KAPITEL
Fassungslos blickte Julie sich um und versuchte zu begreifen, was hier vor sich ging. Woher wusste sie, wohin diese Pfade führten? Wieso kannte sie die Form des Brunnens, bevor sie ihn überhaupt sah?
Ihr stockte der Atem, als ihr die Wahrheit dämmerte.
Vor langer Zeit war ein Mann, so mächtig wie ein römischer Kaiser, hier mit seinem Enkel fotografiert worden, einem Jungen, der so werden sollte wie er selbst. Und diese Aufnahmen waren dazu benutzt worden, die Herzen des Jungen und des Mädchens zu brechen, das ihn geliebt hatte.
Die Bilder, die Vanzani ihr gezeigt hatte, hatten sich ihr unauslöschlich eingeprägt. Nun sah sie Motiv für Motiv wieder und fühlte sich wie in einem Horrorfilm.
Rasch verdrängte sie die unliebsamen Erinnerungen. Sie hatte Gary noch nicht angerufen, und hier, in der Abgeschiedenheit des Gartens, bot sich ihr dazu eine gute
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