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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Ausgang entgegen, und ich hatte Mühe, Anschluss zu halten.
    Sie ging nach links, zu den Parkplätzen. Das hatte ich befürchtet. Jetzt musste ich ganz schnell zu einem fahrbaren Untersatz kommen, fragte sich nur, wie.
    Es kam noch schlimmer. Sie warf den Rucksack nicht in irgendeinen Wagen, nein, sie schleuderte ihn auf den Notsitz eines weißen Porsche. Und Porschefahrer haben die Angewohnheit, gewöhnlichen Sterblichen durch einen Tritt aufs Gaspedal zu zeigen, wie überaus mittelmäßig sie in ihren Mittelklassewagen sind.
    Eine fünfköpfige Familie kletterte gerade aus einem Kombi. Ich zog meinen Detektivausweis aus der Tasche und hielt ihn dem vollbärtigen Familienoberhaupt vor die Nase. »Polizei. Ich brauche Ihren Wagen für eine Verfolgung.«
    Der Mann wurde bleich wie eine Kalkwand. »Was? Wieso?«
    »Wenden Sie sich an Hauptkommissar Stürzenbecher im Polizeipräsidium. Dort bekommen Sie Ihr Auto zurück.«
    Und schon hatte ich ihm den Schlüssel aus der Hand gerissen.
    Der Vollbart brabbelte etwas von einer Quittung.
    Nicht antworten! Tür zuknallen und starten, sagte ich mir. Die Mutter kreischte auf und riss die beiden kleinsten Kinder aus der Gefahrenzone. Die Beifahrertür klappte automatisch zu, als ich beschleunigte. Zwei Wagen vor mir erreichte der Porsche die Schranke. Nervös fingerte ich ein Zweimarkstück aus dem Portemonnaie. Hoffentlich hatten die im Auto zwischen uns das nötige Kleingeld.
    Hatten sie. Vom Porsche sah ich nur noch einen weißen Fleck, der durch die Äcker Richtung Roxel düste. Jetzt bloß keine Landpartie!
    Am Dingbängerweg bog der Porsche nach links ab. Gott sei Dank, wir näherten uns wieder der Stadt. Die Geldbotin nahm die neue Umgehungsstraße, deren Vierspurigkeit sich glücklicherweise noch im Bau befand. Schwere Lkw degradierten den Porsche zum gewöhnlichen Schleicher.
    Außerdem schien sie keine Draufgängerin zu sein, was mir auf dem Albersloher Weg, der uns durch Gremmendorf führte, zugutekam. Sie blieb nicht lange auf der Ausfallstraße, sondern lenkte ihr Geschoss in eine kleine Allee, die in einen idyllischen Vorort namens Angelmodde-Dorf mündete. Dahinter wurde die Besiedelung wieder dünner, die Landschaft ländlicher und die Verfolgung auffälliger. Ich ließ mich zurückfallen und sah, wie sie in der Ferne in eine Zufahrt zu einem allein stehenden Haus einbog. Das war's dann wohl. Ende des erfolgreichen Verfolgungsromans: Der Detektiv und die Frau im Porsche.
    Ich parkte in der nächsten Ausbuchtung, steckte mir einen Zigarillo an und machte einen Waldspaziergang. So viel frische Luft wie heute hatte ich schon lange nicht mehr geschnuppert.
    Mein Ziel war, mich dem Haus von der Waldseite zu nähern, kein aufwendiges, aber durch den matschigen Untergrund auch nicht gerade erfreuliches Vorhaben.
    Mit nassen Schuhen und dreckigen Hosenschlägen erreichte ich das im Fachwerkstil gebaute und mit lustigen, rot-weiß gestrichenen Fensterläden verzierte Haus. Es dämmerte bereits, und ich schlich ungeniert zu einem Fenster, um einen Blick ins Innere zu werfen. Ein gemütliches Wohnzimmer mit bunten Sofas und einem brennenden Kamin. Aber keine Menschenseele.
    Hinter mir kläffte ein Hund. Ich drehte mich um. Drei Gestalten mit schwarzen Skimützen, die über die Gesichter gezogen waren. Sechs Augenschlitze, die mich anstarrten.
    »Hallo«, sagte ich.
    Der Hund kläffte erneut und zerrte an der Leine.
    »Ist er gefährlich?«, fragte ich.
    »Ja«, kam die Antwort.
    Wir standen etwas verlegen herum.
    »Ich bin zufällig vorbeigekommen«, versuchte ich zu erklären. »Tut mir leid, wenn ich Sie gestört habe.«
    »Gehen Sie rein!«, sagte die Stimme.
    »Wo rein?« Ich zeigte aufs Haus. »Da hinein?«
    »Ja.« Die Stimme war furchtbar gesprächig.
    »Ich will Sie nicht weiter belästigen. Und, offen gestanden, habe ich heute noch was vor.«
    Die Stimme zeigte mir einen Gummiknüppel, den sie hinter dem Rücken gehalten hatte.
    »Sie meinen das also ernst, wie? Na gut, ich beuge mich der Gewalt.«
    Und dann brachten sie mich in den Keller und schlossen mich ein.

VI
    Der Keller war von einer Art, wie sie Lungenkranken von den Allgemeinen Ortskrankenkassen nicht empfohlen wird: feucht, kalt und ungemütlich. Eine Menge Gerümpel und ausrangierte Möbel lagen oder standen herum, und in einer Ecke befand sich sogar ein Bett, allerdings ohne Matratze. Das einzige Fenster war nicht nur vergittert, sondern auch viel zu klein, um einen knapp vierzigjährigen und nicht

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