Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
mehr ganz schlanken Blödmann durchzulassen. Kurz und gut, ich haderte mit mir und meinem Schicksal. Konkret sah das so aus, dass ich mich aufs Bett setzte, die Beine an den Leib zog, um die Kernwärme nicht allzu weit absinken zu lassen, und vor mich hin bibberte.
Eine halbe Stunde später kam sie. Sie machte sich nicht die Mühe, ihr Gesicht unter einer Kapuze zu verstecken, denn inzwischen hatte sich im Kommando Jan van Leiden herumgesprochen, wie ich zu dem Haus gekommen war. Von vorne und aus der Nähe sah sie ein bisschen aus wie Tori Amos, nur mit weniger extravaganten Klamotten.
»Wir wollen mit dir reden«, sagte sie. Ich erkannte die Stimme sofort. Irgendwie hatte sie eine Begabung, mich in feuchtkalte Situationen zu locken.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich lieber zum Sie übergehen«, erwiderte ich. »Ich pflege Leute, die mich in Keller sperren, nicht zu duzen.«
Sie zog kurz die Augenbrauen hoch. »Ihre Schuld. Warum sind Sie mir gefolgt?«
»Ich hatte meine Gründe. Und die haben nichts mit der Kirche oder der Polizei zu tun. Ganz privat, sozusagen.«
Missbilligend schüttelte sie ihre langen roten Haare. »Gerade darüber wollen wir ja mit Ihnen reden.« Sie warf einen weißen Stoffbeutel auf das Bett. »Ziehen Sie das über den Kopf! Ist nur zu Ihrem eigenen Schutz. Schlimm genug, dass Sie mein Gesicht kennen.«
Ich nahm den Sack. »Finden Sie das nicht geschmacklos? Ich hatte nie viel für den Ku-Klux-Klan übrig.«
Als Antwort kam ein halbherziges Kichern. »Machen Sie schon! Ich führe Sie hinauf.«
Was blieb mir anderes übrig, als blinde Kuh zu spielen. Sie nahm meine Hand und lotste mich die Treppe hinauf. Ich hörte das Prasseln des Kamins und Stimmengemurmel. Die Tori-Amos-Kopie drückte mich in einen Sessel.
»Sie bringen uns in eine unangenehme Situation.« Das war eine neue Stimme, tief und ein wenig salbungsvoll. Jemand, der sich gerne reden hörte.
»Lassen Sie uns nicht darüber streiten, wer wen in eine unangenehme Situation bringt«, antwortete ich durch den Sack. »Tatsache ist, dass ich mich schon wohler gefühlt habe.«
»Hören Sie auf mit Ihren Witzen«, sagte die Stimme, nun wütend. »Die Sache ist ganz und gar nicht komisch. Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie sich selbst in Gefahr gebracht haben?«
»Oh ja«, stimmte ich ihm zu, »das ist mir klar. Aber ich kann Ihnen erklären …«
Er fiel mir ins Wort: »Warum sind Sie …«, er stockte, »… Marion gefolgt?«
»Marion ist nicht ihr richtiger Name, nicht wahr?«
»Nein«, brummte er. »Natürlich nicht.«
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und kniff mir in den Hals. »Stell dich nicht so blöd an!«, zischte sie in mein Ohr. Auf eine gewisse Weise beruhigend, dass sie hinter mir stand.
»Für die Antwort muss ich etwas ausholen. Als ich den Auftrag vom Weihbischof bekam, Ihnen das Geld zu bringen, habe ich mich gefragt, wieso ausgerechnet mein Name in dem Erpresserbrief stand. Es gibt nur eine vernünftige Erklärung: Einer von Ihnen kennt mich. Nun, dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, allerdings droht mir, wenn die Sache vorüber ist, ein Ermittlungsverfahren wegen Mittäterschaft oder mindestens Begünstigung. Also, sagte ich mir, findest du am besten heraus, wer es ist, um dich schützen zu können. Ich hatte keinerlei offiziellen Auftrag, weder von der Kirche noch von der Polizei, Ihrer Marion zu folgen. Das war meine ganz persönliche Entscheidung. Und, wenn ich das noch hinzufügen darf, ich bin auch kein gläubiger Katholik oder pflichtversessener Staatsbürger. Lassen Sie mich einfach gehen, und ich vergesse, wo ich gewesen bin. Sie können Ihre Wiedertäuferspiele weiter treiben oder damit aufhören, es interessiert mich nicht.«
»So einfach ist das nicht«, sagte die Stimme, wieder etwas freundlicher. »Wir können Ihnen nicht vertrauen.«
»Habe ich keinen Bürgen? Ich meine: derjenige oder diejenige, von dem ich ins Spiel gebracht worden bin.«
Die Stimme nahm Bedenkzeit. Jemand anderes flüsterte.
»Da ist noch ein Punkt: Wo ist das Geld?«
»Bitte? Ich denke, Sie haben den Koffer.«
»Ja. Aber auf jedem Bündel lag jeweils nur ein echter Hunderter. Darunter befand sich Spielgeld.«
Ich lachte. »Ganz schön clever, der Monsignore Kratz. Hätte ich nicht gedacht.«
» Sie könnten das Geld ausgetauscht haben.«
»Quatsch. Ich wette, Sie haben mich die ganze Zeit beobachtet. Außerdem kannte ich die Zahlenkombination nicht.«
Erneutes Tuscheln.
»Nun gut.
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