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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Nehmen wir mal an, das Bistum hat uns hereingelegt. Bleibt immer noch das Problem, dass Sie das Haus hier und … Marion kennen.«
    Da hatte er verdammt recht. An seiner Stelle hätte ich mir auch Sorgen gemacht. Ich zuckte die Schultern, so gut das unter dem Sack ging. »Und was haben Sie vor?«
    »Sie haben Glück, dass wir Gewalt gegen Personen ablehnen. Professionelle Erpresser würden Sie vermutlich umbringen.«
    Ich ging nicht darauf ein, was er damit meinte, dass sie unprofessionell waren.
    »Sie werden eine Weile hierbleiben müssen. Wir haben noch nicht entschieden, was wir mit Ihnen machen. Marion, bring ihn bitte wieder in den Keller!«
    Ich blieb sitzen. »Sie können sich vielleicht damit trösten, dass Sie mich nicht erwürgt oder erschossen haben. Aber eine Nacht da unten im Keller, und ich sterbe an Lungenentzündung, Tuberkulose oder einfach Erfrierung.«
    »Wir geben Ihnen einen Heizofen.«
    »Seien Sie so christlich, wie es die Wiedertäufer damals sein wollten. Geben Sie mir ein beheiztes Zimmer mit einem anständigen Bett!«
    »Damit Sie morgen früh über alle Berge sind?«
    »Von mir aus ketten Sie mich an, oder stellen Sie eine Nachtwache neben mein Bett. Aber bitte nicht in den Keller!«
    Sie beratschlagten halblaut, bis Tori-Marion hinter mir sagte: »Ich finde, wir sollten ihm das Zimmer oben geben. Da kann er nicht aus dem Fenster springen.«
    Das war der Durchbruch. Die Kommando-Stimme gab nach.
    »Da ist noch was«, sagte ich, als mich Tori-Marion in der Dachkammer abgeliefert und meinen rechten Fuß mit einer Fahrradkette am Bettpfosten angekettet hatte, »ich bin krank. Ich habe Neurodermitis. Ich brauche Medikamente.«
    »Und woher soll ich die nehmen?«
    »Aus meiner Wohnung, zum Beispiel. Ich gebe Ihnen die Schlüssel, und Sie packen das Wichtigste ein.«
    Sie rümpfte die Nase, als hätte jemand mexikanische Bohnen gegessen. »Hältst du mich … Halten Sie mich für so blöd? Die Wohnung wird bestimmt überwacht.«
    »Okay«, gab ich nach, »bleiben wir beim Du. Immerhin hast du dich dafür eingesetzt, dass ich nicht in das Verlies muss. Das unterscheidet dich vom Rest der Bande.«
    Sie reagierte sauer. »Wir sind keine Bande. Wir haben gute Gründe für das, was wir tun. Es ist nur gerecht, dass wir der Kirche Geld abnehmen.«
    »Meinetwegen. Und was ist meine Rolle in dem Spiel?«
    »Deine Rolle bestand darin, uns das Geld zu bringen. Daran hast du dich leider nicht gehalten.«
    Sie ging zur Tür.
    »Warte mal!«, rief ich ihr nach. »Das mit der Neurodermitis war kein Scherz. Heute Nacht komme ich vielleicht mit einem Topf Vaseline aus. Die kriegst du in jeder Drogerie. Aber morgen früh musst du unbedingt zu meinem Arzt gehen. Schildere ihm die Situation. Das fällt unter das Arztgeheimnis.«
    Sie blieb stehen. »Ich werde sehen, was sich machen lässt. Wie hieß das Zeug?«
    »Vaseline.«
    Und weg war sie.
    Ich lag auf dem Bett und machte eine Liste der Dinge, die ich unbedingt brauchte. Sie fing mit einem Fernseher an und hörte bei einem Krimi auf. Dazwischen kamen noch ein Eimer zum Pinkeln und ein Schlafanzug. Erst wenn man an das Bett gefesselt ist, weiß man, wie abhängig man von seinen Mitmenschen ist.
    Wenn ich mich aufrichtete, konnte ich einen Blick in den Garten werfen, zumindest auf das, was von den unteren Fenstern beleuchtet wurde. Kein Ersatz für einen anständigen Spielfilm im Fernsehen, ganz zu schweigen von Ran oder dem Aktuellen Sportstudio.
    Was ich ihr sagte, als sie mit einem Töpfchen Vaseline zurückkam.
    »Werd nicht unverschämt«, kanzelte sie mich ab. »Den Eimer besorg ich dir, alles andere kannst du dir abschminken.«
    »Es muss ja kein Krimi sein«, bettelte ich. »Ich nehme auch ein historisches Werk. Habt ihr nichts über die Wiedertäufer?«
    »Willst du dich über mich lustig machen?«
    »Nein. Es interessiert mich wirklich. Ich hatte neulich sogar eins in der Hand. Von zwei Franzosen. Es hieß …«
    »Der König der letzten Tage. Ein bisschen reißerisch, aber nicht schlecht.«
    »Marion ist ein scheußlicher Name, findest du nicht?«, wechselte ich das Thema. »Ich würde dich lieber Tori nennen.«
    »Tori?«
    »Ja. Wie Tori Amos, die amerikanische Popsängerin. Du hast eine gewisse Ähnlichkeit mit ihr.«
    Und so kamen wir ins Gespräch.
    Irgendwann fing Tori an zu erzählen, warum sie die Kirche hasste und beim Kommando Jan van Leiden mitmachte. Es war eine traurige Geschichte, die sich um ihre Mutter drehte. Als junges Mädchen hatte

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