Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss
Produktionsfahrer, ein aknegeschädigter Jüngling von vielleicht zwanzig Jahren, wurde nach vorne geschoben. Mit schlotternden Knien und stockender Stimme berichtete er, dass er sich genau an die Anweisungen gehalten habe. Nur ein halbes Wasserglas Benzin hätte im Tank sein dürfen.
»Und das da!« Rommersberger zeigte auf die geschwärzten Überreste des Autos. »Was, glaubst du, hat da so gebrannt?«
Der Jüngling schüttelte den Kopf. »Jemand anderes ...«
Rommersberger brüllte ihn an: »Niemand außer dir hat den Wagen in den Fingern gehabt. Du bist entlassen. Verschwinde! Und zwar sofort!«
Der Jüngling fing an zu heulen. »Ich war’s nicht. Bitte, glauben Sie mir! Ich war’s nicht.«
Aber Rommersberger war schon davongestapft. Gabi nahm den Kleinen unter ihre Fittiche und redete leise auf ihn ein, während er sich an ihrer Schulter ausweinte.
Unterdessen hatte Poppelhove neben dem zitternd auf dem Gras sitzenden Stuntman gehockt und beschwörend auf ihn eingeredet.
Dann kam auch schon der Krankenwagen. Ein Notarzt kümmerte sich um Nick, und kurze Zeit später war er auf dem Weg Richtung Uni-Klinik.
Als das Heulen der Sirene verklungen war, hob Poppelhove den Arm. »Alle mal herhören! Ich habe eine Mitteilung zu machen.«
Das nervöse Gebrabbel der Filmschaffenden erstarb, und alle Augen richteten sich auf den Produzenten.
»Ich habe mit Nick gesprochen. Er verzichtet auf eine Anzeige. Es wird also keine neue polizeiliche Untersuchung geben.«
Ungläubiges Staunen in den Gesichtern.
»Ich weiß, dass einige von euch, zumal nach dem Schuss auf Becher, das hier nicht für einen Zufall halten«, fuhr Poppelhove fort. »Ihr könnt sicher sein, dass ich die Sache nicht auf die leichte Schulter nehme, obwohl ein Abbruch der Dreharbeiten nicht infrage kommt. Ihr müsst mir jetzt einfach vertrauen.«
Das Staunen verwandelte sich in ein mürrisches Gemurmel.
Poppelhove wurde lauter: »Es wird etwas geschehen, das verspreche ich euch. Ich habe einen Fachmann gebeten, eine interne Untersuchung durchzuführen. Georg Wilsberg.«
Alle drehten sich zu nur um.
»Es liegt an euch«, redete Poppelhove weiter. »Gebt ihm alle Auskünfte, die er haben will. Beantwortet alle seine Fragen. Dann, da bin ich zuversichtlich, kommen wir rasch zu einem Ergebnis.«
»Ich weiß nicht, ob das so klug war, die Karten auf den Tisch zu legen«, sagte ich zu Poppelhove, als wir zum Hotel zurückfuhren. »Der Täter weiß jetzt, vor wem er sich in Acht nehmen muss.«
»Ist mir auch klar«, knurrte der Produzent genervt. »Aber ich musste etwas tun, verstehen Sie? Entschlusskraft beweisen, die Fahne hochhalten. Sonst läuft mir noch die ganze Crew auseinander. Ist doch scheißegal, ob Sie tatsächlich etwas herausfinden. Hauptsache, die Leute glauben, dass Sie sich darum kümmern.«
»Aha«, sagte ich.
»Du wirst es schon schaffen«, meldete sich Gabi vom Rücksitz. »Ich glaube an dich.«
»Danke für die Vorschusslorbeeren. Ich habe nicht so viel Vertrauen.«
Und wieder Poppelhove: »Gehen Sie rum! Stellen Sie Fragen! Setzen Sie ein ernstes Gesicht auf! Wenn die nächsten sieben Tage glatt über die Bühne gehen, ist die Kuh vom Eis.«
»Ich liebe Auftraggeber, die klare Vorstellungen haben«, sagte ich.
Poppelhove grunzte.
Wir erreichten den Hotelparkplatz und sahen alle drei das Gleiche: Katinka Muschwitz, mit zwei schicken Ledersäcken behangen.
»Muschi will abhauen«, rief Gabi.
»Das werde ich verhindern.« Poppelhove sprang aus dem Wagen und rannte hinter der Mimin her.
»Ist die Filmerei immer so aufregend?«, fragte ich Gabi, während wir zusahen, wie sich der Produzent und die Schauspielerin einen heftigen Disput lieferten.
»Aufregend ist sie immer, aber das hier ist die Hölle.«
Nach fünf Minuten stiefelte die Muschwitz mit finsterer Miene ins Hotel zurück, und Poppelhove kam zu uns. Zum ersten Mal sah er nicht mehr ganz so frisch aus.
»Was hast du ihr versprochen?«, erkundigte sich Gabi.
»Beim nächsten Zwischenfall darf sie gehen. Außerdem hab ich zwanzigtausend Mark draufgelegt.«
Gabi stöhnte. »Das macht schon dreißigtausend. Zehntausend für Nick, zwanzigtausend für Muschi.«
»Rechnen kann ich selbst«, blökte Poppelhove sie an.
»Was legen Sie eigentlich bei mir drauf, wenn ich den Täter finde?«, wollte ich wissen.
Poppelhove fuhr hoch. »Bis jetzt haben Sie nicht bewiesen, dass Sie Ihr Geld wert sind. Kommen Sie mir nicht ...« Plötzlich fiel ihm auf, dass er gerade
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