Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss
mich nach einem adäquateren Gesprächspartner um. Poppelhove kam mir zuvor.
»Schön, dass Sie sich auch mal sehen lassen!«, begrüßte er mich. »Ich dachte schon, Sie hätten sich aus dem Staub gemacht.«
»Ich musste rasch einen anderen Fall zum Abschluss bringen«, teilte ich mit.
»Großartig«, meinte er ironisch. »Ich zahle Ihnen fünfhundert Mäuse dafür, dass Sie andere Fälle lösen.«
»Sehen Sie es mal so: Ich bin eine Art Discount-Detektiv. Für läppische fünfhundert Mark können Sie zwar einen beträchtlichen Teil, aber nicht meine ausschließliche Arbeitskraft kaufen. Außerdem war ich heute auch in Ihrer Angelegenheit tätig.«
»Und wo, wenn ich fragen darf?«
»Im Krankenhaus. Ich habe mit Nick und Becher gesprochen.«
»Ah!«, tat er beeindruckt. »Soll ich raten, auf wen Becher gezeigt hat? Auf Rommersberger. Die Eifersucht der beiden ist doch ein alter Hut.«
»Alte Hüte passen deswegen nicht schlechter, weil sie alt sind. So ein Fall ist wie ein Puzzle. Hat man genügend Informationen beisammen, ergibt sich ein ganzes Bild.«
Poppelhove winkte ab. »Charly ist fertig mit Maria. Und nicht nur mit Maria. Der ist auch fertig mit sich selbst. Charly würde so etwas nicht bringen.«
»Ich sage ja nicht, dass es Charly war. Ich sammle weiter Informationen, und übermorgen kriegen Sie von mir einen Zwischenbericht.«
»Da bin ich gespannt.« Er entfernte sich einen Schritt, blieb dann stehen. »Noch eins: Halten Sie sich von Gabi Gottschlich fern! Wenn ich Sie noch einmal in ihrem Zimmer erwische, fliegen Sie, egal, ob Sie hier den Privatdetektiv geben oder nicht.«
»Glauben Sie nicht, dass Gabi das selbst entscheiden kann?«
Abrupt drehte er sich um. Er hatte Mühe, nicht zu brüllen. »Gabi war gestern Abend betrunken. Und Sie haben das schamlos ausgenutzt.«
Wir funkelten uns an.
»Nicht doch, meine Herren!«, sagte der Barmann. »Bitte beherrschen Sie sich!«
In meinem Zimmer öffnete ich den Kühlschrank. Lauter niedliche kleine Fläschchen mit weißlicher, gelblicher und bräunlicher Flüssigkeit. Ich nahm einen Flachmann mit Cognac heraus und schraubte den Verschluss ab. Der Duft schoss mir direkt ins Gehirn. Meine Zehen kribbelten. Ich schluckte trockene Spucke. Mein Magen krampfte sich zusammen. Dann drehte ich den Deckel wieder drauf und stellte die volle Flasche ins Fach zurück.
Als ich im Bett lag, zitterte ich am ganzen Körper.
XI
Endlich war die Jacht eingetroffen. Sie dümpelte an der Uferkante vor dem Gallitzin, und Oswald Meyer und Katinka Muschwitz tummelten sich mehr oder weniger unbekleidet auf dem Sonnendeck.
Die wahre Begebenheit, nach der diese kitschige Fernsehversion gedreht wurde, war folgendermaßen abgelaufen: Der Besitzer einer schmucken, aber schon etwas heruntergekommenen Jacht hatte sein Schiff im Bodensee versenkt und wollte dafür die Versicherungssumme von 200.000 Mark kassieren. Um die Sache glaubwürdiger zu gestalten, hatte er in der Schadensmeldung eine Zeugin angegeben, die angeblich mit ihm an Bord war, als das Schiff Leck schlug. Eine ihm vorher unbekannte Frau, die er erst am Tag des Unglücks kennengelernt habe.
Die Versicherungsgesellschaft glaubte ihm zwar kein Wort, jedoch fehlte ihr jeglicher Beweis für einen Betrug. Die Jacht lag auf dem Grund des Bodensees (und der ist erstaunlich tief), der Nachweis einer absichtlichen Beschädigung des Schiffs war folglich nicht zu erbringen.
Der Witz an der Sache war, dass der Betrüger die 200.000 Mark kassiert hätte, wenn er die Geschichte etwas weniger perfekt konstruiert hätte. Tatsächlich kannte er die spontane Mitfahrerin nämlich schon drei Monate länger, sie war seine Geliebte, wie ich herausbekam. Somit enthielt die Schadensmeldung falsche Angaben, und die Versicherung brauchte nicht zu zahlen. Die Versicherungsleute waren zufrieden, ich war zufrieden, nur der ehemalige Jachtbesitzer und seine Freundin waren unglücklich.
Bei der Szene auf der Jacht wirkte ich nicht mit, und so blieb mir nichts anderes zu tun, als auf der Uferterrasse des Gallitzin unter einem Sonnenschirm zu sitzen und einen Cappuccino nach dem anderen zu trinken.
Endlich waren Meyer und Muschwitz fertig mit ihrem Geturtel; es folgte mein Auftritt. Im Zuge meiner Recherchen fuhr ich natürlich auch zum ehemaligen Liegeplatz der Titanic-Epigonin und befragte die Jachtklub-Kollegen des mutmaßlichen Betrügers. Dazu wurde die Jacht ein Stück zur Seite gefahren und ein klappriges Segelboot ins Bild
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