Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
vorbei, doch ich hielt sie auf.
»Wieso steckt der Schlüssel in der Tür?«, fragte ich missbilligend.
»Nun seien Sie doch nicht so pingelig!«, verteidigte Jutta ihre Sekretärin.
Ich forderte sie auf, im Vorzimmer zu warten, während ich das Büro inspizierte.
»Kann ich jetzt endlich an meinen Arbeitsplatz?«
»Das ist nur zu Ihrer Sicherheit.«
»Ich weiß.« Jutta rauschte an mir vorbei. »Ich brauche Sie erst wieder um elf. Wir fahren heute nach Essen, falls Sie es vergessen haben.«
Ich knallte die Hacken zusammen und schloss die Tür hinter mir.
»Die ist aber heute geladen«, sagte Frau Hanewinkel. »Kann ich ja verstehen, wo doch am Freitag schon wieder ein Ratsherr umgebracht worden ist.«
Ich bat sie, mich einen Blick in den Terminkalender der Kämmerin werfen zu lassen. Die Hanewinkel war, was man ihr auf den ersten Blick nicht zutraute, eine genaue Beobachterin, die jedes Mitglied der Verwaltungsspitze mit ein paar ironischen Bemerkungen charakterisieren konnte. Gerade war sie bei den figürlichen Problemen des Stadtdirektors angelangt, da fuhr uns ein Schrei des Entsetzens in die Glieder. Der Schrei kam, daran bestand kein Zweifel, aus dem Zimmer der Kämmerin. In Sekundenbruchteilen gingen mir von Briefbomben bis Giftspinnen alle möglichen postalischen Mordanschläge durch den Kopf. Ich riss an der Tür, bis mir klar wurde, dass sich meine eigenen Sicherheitsregeln in eine Falle verwandelt hatten.
»Aufmachen!«, brüllte ich. »Mach sofort die Tür auf!«
»Hoffentlich ist sie dazu noch in der Lage«, kommentierte die Sekretärin.
Da summte der Türöffner. Leichenblass, aber unverletzt stand Jutta hinter ihrem Schreibtisch. Mit spitzen Fingern hielt sie ein Blatt in die Höhe.
»Jetzt schickt mir dieses Schwein schon Briefe«, presste sie hervor.
Ich atmete tief durch. »Leg ihn vorsichtig auf die Platte, und bitte nicht anfassen!«
Die Worte waren aus Zeitschriften ausgeschnitten. Der amateurhaft aufgeklebte Text lautete:
Warnung an die grüne Schlampe! Versuch nicht in Kappenstein diesen Scheiß-Park zu bauen. Sonst bekommst du eine Bombe unter deinen niedlichen Hintern!
»Was meinst du?«, flüsterte Jutta. »Ist er das?«
»Es fehlt der Hinweis auf die drei geglückten Morde. Für einen Serientäter ist dieser Schnipsel-Künstler ziemlich bescheiden.«
Sie ließ sich in ihren Sessel fallen. »Willst du damit sagen, dass ich zwei Attentäter am Hals habe?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Falls der Brief vom Killer stammt, hat er seinen ersten Fehler gemacht. Gib mir bitte eine Klarsichthülle!«
Ich bugsierte den Brief und den Umschlag in die Hülle. »Ich bring das zu Stürzenbecher. Sollen sich die Polizeiwissenschaftler darüber hermachen. In weniger als einem Tag wissen die, welche Zeitschriften der Kerl liest und wo er seinen Kleber kauft.«
»Mein Gott, hoffentlich überstehe ich den heutigen Tag!«, jammerte die Kämmerin.
»Warum sagst du deine Beteiligung an dieser blöden Global World -Eröffnung nicht ab?«, schlug ich vor. »Bei einem solchen Trubel kann ich unmöglich für deine Sicherheit garantieren.«
Sie richtete sich kerzengerade auf. »Kommt gar nicht in Frage! Niemand zwingt mir seinen Willen auf. Das wäre ja noch schöner, wenn ich mich vor jedem Drohbriefschreiber verkriechen würde.«
»Wie du meinst.«
Es klopfte an der Tür.
»Störe ich?«, fragte Axel Feldhaus indigniert.
»Kommen Sie rein! Herr Wilsberg wollte gerade gehen.«
Ich verstand die Aufforderung.
»Und seien Sie bitte rechtzeitig zurück!«, rief Jutta mir nach. »Der Bus fährt um Punkt elf.«
Stürzenbecher war hocherfreut, als ich ihm den Drohbrief auf den Tisch legte.
»Fantastisch. Endlich mal ein konkreter Anhaltspunkt.«
»Jubel nicht zu früh!«, goss ich Wermutstropfen in seinen Freudenbecher. »Würde mich nicht wundern, wenn das ein übermotiviertes Mitglied der Bürgerinitiative Kein Hollywood in Kappenstein! zusammengeschustert hat.«
»Und wenn schon!«, gab der Hauptkommissar zurück. »Jeder Erfolg ist besser als kein Erfolg. Und Lewandowski kann seinen Tatendrang mal an jemand anderem austoben. Ich bin es leid, für seine schlechte Laune büßen zu müssen. Hiermit«, Stürzenbecher wedelte mit der Klarsichthülle, »verschafft sich der Oberrat einen großen Auftritt vor der Presse, von wegen heißer Spur und so. Da wartet er schon drauf, seitdem er in Münster angekommen ist.«
»Ach, übrigens«, sagte ich beiläufig, »kannst du mir meine Pistole
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