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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Scheiße. Ich behaupte ja nicht, dass da irgendeine Parteidirektive hintersteckt. Eher glaube ich, dass eins oder mehrere von diesen Bürschchen einfach durchgeknallt sind. Die sehen sich als Helden der Bewegung. So wie ihre ruhmreichen Vorbilder von der SA, die Jagd auf Kommunisten gemacht haben.«
    Es war eine Theorie, die nicht mehr, aber auch nicht weniger schlüssig war als einige andere, die ich gehört hatte. Die Morde blieben ein Rätsel, und es wäre dumm gewesen, Kleine-Langens Gedankenspiel von vorneherein für absurd zu erklären.
    »Jedenfalls«, setzte der Grünen-Fraktionsvorsitzende hinzu, »bin ich auf der Hut. Ich vertraue nicht darauf, dass nur Pro-Kappensteiner getötet werden. Was ist das für eine Beule unter Ihrer Jacke? Ein Revolver?« Er grinste. »Ich verstehe schon: Berufsgeheimnis.«
    »Was ich nicht begreife«, versuchte ich ihn abzulenken, »was macht jemand wie Sie bei einem solchen Prominentenauftrieb? Sie lehnen das Global World -Spektakel doch ab.«
    »Ganz einfach«, antwortete er mürrisch, »ich möchte einem Totschlagsargument der politischen Diskussion ausweichen. Solange ich es nicht selbst gesehen habe, wird man mir vorhalten, dass ich nicht wüsste, worüber ich rede. Manche Leute glauben, man müsste sich selbst in eine Pfanne legen, um zu wissen, wie man eine Kotelett brät.«
    Er verfiel in Schweigen, und ich nutzte die Gelegenheit, um noch zwei kaviarbehäufelte Eierhälften und eine Tasse Kaffee zu ergattern.
    Eine halbe Stunde später rollte der Bus den Bredeneyer Berg hinunter. Hier sah das Ruhrgebiet aus, als wäre ihm ein Stück Sauerland transplantiert worden: Hügel, Wälder und tief unten der bananenförmige Baldeneysee. Vor mehr als zwanzig Jahren war ich oft mit dem Linienbus hierhergekommen. Ich, der Arbeitersohn aus dem Essener Norden, hatte eine Freundin, die in einer protzigen Bredeneyer Villa wohnte, gleich neben dem Anwesen von Berthold Beitz. Wenn ich auf dem gewachsten Parkettboden den Eltern meiner Freundin gegenüberstand, war ich mir immer vorgekommen wie ein Botenjunge, der vergessen hatte, was er abliefern sollte.
    Der Bus kurvte durch Werden und fuhr weiter Richtung Velbert. Gleich darauf verwandelte sich die grüne Landschaft in einen riesigen Parkplatz. Wir hatten die Global World erreicht. Der Busfahrer stoppte direkt vor dem Eingang, trotzdem wurden wir beim Aussteigen von mehreren Hundert Schaulustigen umringt, die auf Arnold Schwarzenegger oder wenigstens Til Schweiger hofften. Ich schob mich direkt hinter die Kämmerin und bekam einen berufsbedingten Schweißausbruch. In dem Gedränge und Geschubse war es unmöglich, den Überblick zu behalten.
    Als wir endlich den Kordon der Schaulustigen durchbrochen und den Eingang passiert hatten, atmete ich auf. Das Gefährlichste schien überstanden. Wir befanden uns auf einem Platz, der von einem riesigen Springbrunnen beherrscht wurde. Ich blickte mich um. Auf der rechten Seite erhob sich im Hintergrund eine gigantische Achterbahn, deren Loopings und Steilkurven auch ohne das drohende Heulen, das in der Luft lag, selbstmörderisch aussahen. Davor reckten zwei lustige Plastikvulkane ihre rauchenden Kegel in die Höhe. Zur linken gab es einen Hügel mit kümmerlichen Bäumen, auf dessen Kuppe ein künstlich gealtertes Gruselschloss mit schwarzen Zinnen drohte. Dazwischen erstreckte sich eine amerikanische Kleinstadt, die so täuschend echt wirkte, als hätte man sie irgendwo im Mittleren Westen abgebaut und hier Stück für Stück wieder zusammengesetzt.
    Der Global Artists -Manager namens Steffenhagen, der schon in Kappenstein auf dem Podium gesessen hatte, begrüßte die münstersche Delegation und hielt eine kurze Rede. Sie lief im Wesentlichen darauf hinaus, dass wir jetzt einige Attraktionen ausprobieren, zwei Shows über uns ergehen lassen und anschließend zu einem echten amerikanischen Lunch in den Global Movie Klub eingeladen werden sollten.
    »Auf die Achterbahn begleite ich dich nicht«, flüsterte ich Jutta ins Ohr. »Ich habe Höhen-, Flug- und Schleuderangst.«
    »Da kriegen mich auch keine zehn Pferde drauf«, flüsterte sie zurück.
    Wenigstens in einem Punkt waren wir uns einig.
    Zunächst schritten wir die Global Street entlang, die Hauptstraße der Global World , auf der echte amerikanische Straßenkreuzer aus den 40er- und 50er-Jahren standen und die gesäumt war mit weniger echten Fachwerkbauten im Stil des späten Wilden Westens. In den Häusern befanden sich Global Stores , die

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