Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
eine Polizeisirene. Und irgendwo klingelte ein Telefon.
Koslowski drehte seinen Totenkopf zu mir und sagte: »Warum nimmst du das verdammte Telefon nicht ab?«
Ich wachte auf und schnappte nach Luft. Diese Albträume würden mich noch umbringen. Mit zitternden Fingern tastete ich nach dem Telefon.
Es war der Graf. »Sie haben wieder zugeschlagen.«
Jetzt hörte ich auch das rhythmische Heulen der Alarmanlage.
»Und sie haben eine neue Botschaft hinterlassen, das Blatt steckte in einer Ritze des Portals. Diese Halunken werden immer dreister.«
»Was steht drauf?«, krächzte ich schlaftrunken.
»Wir haben die Leiche gefunden.«
»Welche Leiche?«
»Ich habe keine Ahnung, Herr Wilsberg. Ich hoffe bei Gott, dass niemand sterben musste.«
»Bin schon unterwegs«, murmelte ich und legte auf.
Ein Polizeiwagen stand mit rotierendem Blaulicht im Innenhof der Vorburg. Der Graf konferierte mit Oberkommissar Fahlenbusch und einem weiteren Polizisten auf der Steinbrücke, die zum Schloss führte.
Als ich näher kam, sah ich, wie Fahlenbusch ein weißes Blatt in einer Plastikhülle versenkte.
»Darf ich mal sehen?«, bat ich.
»Nein«, sagte Fahlenbusch. »Das ist Beweismaterial. Der Herr Graf bekommt eine Kopie, sobald wir das Blatt auf Fingerabdrücke untersucht haben.«
»Vielen Dank«, bemerkte ich ironisch.
Ein zweiter Polizeiwagen traf ein. Damit waren achtzig Prozent der Disselburger Polizei im Einsatz.
»Na, dann wollen wir uns mal nach Spuren umsehen«, sagte Fahlenbusch und guckte haarscharf über meinen Kopf hinweg. Den zweiten Polizisten im Schlepptau, trabte er zu seinen Kollegen. Kurz darauf rückten alle vier Polizisten, mit langen Taschenlampen bewaffnet, in den Schlosspark aus.
»Wieder ein Stein?«, fragte ich den Grafen.
Er nickte. »Von dort drüben.« Seine Hand zeigte auf eine Stelle hinter der Zugbrücke. »Das Geschoss schlug im Alten Speisesaal ein. Beinahe hätte es eine chinesische Vase aus dem sechzehnten Jahrhundert getroffen.«
Er machte sich Sorgen um seine Vasen, ich dachte mehr an die Leiche.
»Ist in letzter Zeit jemand gestorben?«
»Wo?«
»Hier im Schloss oder in der Stadt.«
»Das lässt sich wohl nicht vermeiden, Herr Wilsberg.«
»Ich meine: auf unnatürliche Weise, ermordet, durch einen Unfall.«
»Das ist mir nicht bekannt. In Disselburg sind im letzten Jahr einige alte Menschen gestorben, eines natürlichen Todes, soweit ich weiß.« Er holte Luft. »Entschuldigen Sie mich jetzt bitte! Ich glaube, ich muss mich um meine Frau kümmern.«
Ich blieb noch eine Weile im Innenhof stehen und beobachtete die vier Lichtkegel, die durch den Schlosspark streiften. Es war sinnlos, den Polizisten nachzugehen, sie würden mir ohnehin nichts verraten.
Hinter der Erpressungsgeschichte steckte noch etwas anderes, da war ich mir ziemlich sicher. Aber in dieser Nacht würde ich es nicht herausfinden. Also konnte ich mich genauso gut wieder ins Bett legen.
Es war Morgen, die Sonne brannte subtropisch vom Himmel, als hätte sie vergessen, dass Mitte September normalerweise kalter Nieselregen auf dem münsterländischen Wetterprogramm stand.
Der Graf begutachtete, wie zwei Handwerker das eingeschossene Fenster im Alten Speisesaal ersetzten.
»Sie sind inzwischen ein eingespieltes Team«, sagte er, als ich neben ihn trat. »Von Mal zu Mal klappt es besser.«
Ich fragte ihn, ob er etwas von der Polizei gehört habe.
Er verneinte.
»Oberkommissar Fahlenbusch ist nicht sehr kooperationsbereit, was meine Person betrifft.«
»Da kann ich Ihnen nicht helfen, Herr Wilsberg. Ihr Job ist es, Dinge herauszufinden.«
Der kritische Unterton war nicht zu überhören. »Haben Sie etwas an meiner Arbeit auszusetzen?«
»Welche Arbeit? Als es passierte, lagen Sie im Tiefschlaf, oder nicht?«
Das konnte ich ihm nicht durchgehen lassen. »Falls Sie jemanden suchen, der nachts im Park herumsteht, sollten Sie einen Nachtwächter einstellen.«
Er zog scharf die Luft ein. Drei Sekunden lang starrten wir uns an.
Dann atmete er aus. »Entschuldigen Sie, Herr Wilsberg, ich bin etwas nervös. Sie haben recht, es ist nicht Ihre Aufgabe, den Nachtwächter zu spielen.«
Das war also geklärt. »Ist Ihnen zu der Leiche noch etwas eingefallen?«
»Nein, nichts.«
»Niemand schreibt so etwas ohne Grund. Es muss eine Bedeutung geben. Vielleicht ist der Ausdruck Wir haben die Leiche gefunden metaphorisch gemeint.«
»Sie spielen auf die berühmte Leiche im Keller an? Die gibt es nicht«, sagte der
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