Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
Graf mit Nachdruck. »Wie ich bereits erwähnte, zahle ich pünktlich meine Steuern und ich mische mich auch nicht in politische Angelegenheiten ein. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.« Er machte eine Pause. »Allerdings will ich nicht ausschließen, dass in früheren Zeiten Menschen im Schlosskeller gefoltert und getötet wurden. So etwas kam vor. Seit der Aufklärung ist das Verlies jedoch nicht mehr benutzt worden.«
In einem hatte er recht: Es war mein Job, die Lösung zu finden. Und allmählich ahnte ich, dass die Geschichte nicht so gemütlich bleiben würde, wie sie angefangen hatte.
Ohne große Hoffnung machte ich meinen zweiten Besuch bei der Disselburger Polizei. Ich stieg gleich die Treppe hinauf und klopfte an Fahlenbuschs Tür. Der Oberkommissar hatte müde Augen und seine Tränensäcke waren etwas grauer geworden, ansonsten war er aber der gute alte Fahlenbusch.
»Sie schon wieder«, sagte er mit einer Stimme, die eine ganze Schulklasse erschreckt hätte.
»Warum vergessen wir nicht, was gewesen ist, und fangen noch einmal von vorne an«, schlug ich freundlich vor.
Er kniff den Mund zusammen und fixierte mich mürrisch. Trotzdem glaubte ich, eine leichte Unsicherheit in seinen Augen zu erkennen. Die anhaltende Erfolglosigkeit und das Gerede in der Stadt mussten ihm an die Nieren gehen. Vielleicht auch die jüngste Botschaft der Erpresser.
»Was wollen Sie?«
»Ich möchte einen Blick auf die Mitteilung von letzter Nacht werfen.«
»Das Blatt ist auf dem Weg nach Borken, zur labortechnischen Untersuchung.«
»Haben Sie im Park etwas gefunden?«
»Nein.«
»Welche Leiche können die Täter meinen?«
Er strich sich mit zwei Fingern über die Augenbraue. »Ich kann mir vorstellen, was in Ihrem Gehirn vorgeht. Leute wie Sie denken sofort an ungeklärte Morde. Ich versichere Ihnen, dass es in den letzten zehn, fünfzehn Jahren keinen Mord in Disselburg gegeben hat. Die Mühe, in alten Todesfällen zu schnüffeln, können Sie sich sparen.«
»Erpresser stellen normalerweise keine Rätsel. Sie gehen davon aus, dass ihre Botschaften verstanden werden.«
Fahlenbusch beugte sich vor. »Der Graf hat keine Idee, um welche Leiche es sich handelt, ich habe auch keine. Falls Sie eine haben, nur raus mit der Sprache!«
Ich zuckte mit den Schultern. »Hat man eigentlich untersucht, aus welchen Zeitungen oder Zeitschriften die Erpresser ihre Texte ausschneiden? So etwas lässt Rückschlüsse auf ihr Alter und ihr Umfeld zu.«
Fahlenbusch stand auf. »Wir sind nicht untätig, Herr Wilsberg, auch wenn einige Besserwisser das Gegenteil behaupten. Und wir brauchen keine Ratschläge von vorbestraften Rechtsanwälten.«
Er hatte sich also nach mir erkundigt.
Ich lächelte. »Pflegen Sie ruhig Ihre Vorurteile, Herr Fahlenbusch. Sie werden sehen, wie weit Sie damit kommen.«
»Machen Sie, dass Sie rauskommen!«, knurrte er. Es klang eher müde als wütend.
Die Disselburger Polizei und ich würden wohl nie ein Team werden. Diesmal regte es mich jedoch kaum auf. Meine Befürchtung, dass die Polizei einen Vorsprung besaß, hatte sich als unbegründet erwiesen. Fahlenbusch tappte völlig im Dunkeln. Und das war meine Chance, als Sieger durchs Ziel zu gehen.
Durch die Fußgängerzone schlenderte ich zum Laden von Anke Schwelm. Der Verkaufsraum war menschenleer, wie beim letzten Mal. Ich trat ein und schaute mich um. An der Rückwand führten vier Treppenstufen zu einer türlosen Maueröffnung. Der Raum, der sich dahinter befand und von dem ich nur einen Ausschnitt erkennen konnte, war mit den gleichen Terrakotta-Fliesen ausgelegt wie der Verkaufsraum. An den weißen Wänden hingen flüchtige, abstrakte Farbtupfer, von Niedrigvoltstrahlern erhellt. Insgesamt sah der Laden sachlich und zugleich edel aus. Niemand würde auf den Gedanken kommen, hier billig einkaufen zu können.
»Ich bin hier oben«, rief eine Frauenstimme.
Ich stieg die Treppenstufen hinauf. Die Besitzerin der Stimme war tief über einen Tisch gebeugt, den sie mit einem Tuch polierte. Hinter ihr war allerlei Werkzeug an der Wand befestigt und auf dem Boden lagen Stuhlbeine, Tischplatten und andere Einzelteile herum.
Sie schaute auf. »Ach, Sie sind das.«
Ich war überrascht. »Woher wissen Sie, wer ich bin?«
Sie richtete sich auf und wischte ihre Hände an einem anderen Tuch ab. Sie trug eine Jeans und ein T-Shirt. Ihr Gesicht und ihre Arme waren mit Sommersprossen bedeckt, das kurze Haar hatte einen Stich ins Rötliche.
»Ich bitte Sie, der
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