Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
ganze Ort spricht von Ihnen.« Sie imitierte ein Tuscheln: »Haben Sie schon gehört, der Graf hat einen Privatdetektiv aus Münster geholt.«
Ich lachte. »Und ich dachte, ohne meinen Trenchcoat würde mich niemand erkennen.«
»Falsch gedacht.« Sie streckte mir ihre Hand entgegen. »Anke Schwelm.«
»Georg Wilsberg. Wie spricht man eigentlich eine Grafentochter an? Prinzessin?«
»Hören Sie bloß auf!«, drohte sie spöttisch. »Ich kann das adelige Brimborium nicht ausstehen. Trinken Sie einen Kaffee mit mir?«
»Gerne.«
Auf der anderen Seite des Raumes war eine kleine Einbauküche installiert. Sie holte zwei Tassen aus dem Schrank, stellte sie auf einen kleinen Kaffeehaustisch und goss Kaffee aus einer Thermoskanne ein.
»Milch oder Zucker?«
»Beides.«
Nachdem ich versorgt war, saßen wir am Tisch und rührten in unseren Tassen.
Sie betrachtete mich neugierig. »Privatdetektiv – ist das nicht ein aufregender Beruf?«
»Nicht besonders. Meistens sitzt man im Auto oder steht in einem Hauseingang und wartet darauf, dass etwas passiert.«
»Und wie wird man Detektiv?«
»Durch Zufall. Ich habe Jura studiert und war Rechtsanwalt, allerdings ist das schon sehr lange her.«
Ihr rundes Gesicht verwandelte sich in ein Fragezeichen. »Entschuldigen Sie meine Offenheit, aber das klingt für mich nicht nach einem beruflichen Aufstieg.«
»War es auch nicht. Ich habe einen kapitalen Fehler begangen, mit dem Ergebnis, dass ich die Juristerei nicht weiter ausüben durfte. Dann habe ich mir einen kleinen Briefmarken- und Münzladen gekauft, aber der warf nicht genug ab. Also habe ich nebenbei als Detektiv gejobbt und schließlich daraus meinen Hauptberuf gemacht.« Bevor sie mich weiter ausfragen konnte, schloss ich schnell eine Gegenfrage an: »Führen Sie den Laden allein?«
»Ja. Abgesehen vom Weihnachtsgeschäft, dann habe ich noch jemanden im Verkauf.« Sie schaute über die Schulter. »Sieht ziemlich unordentlich aus, nicht wahr? Meine eigentliche Werkstatt befindet sich im Gartenschuppen. Aber weil in der Woche so wenig Kunden vorbeikommen, mache ich hier oben die Endfertigung.« Sie grinste. »Hat mein Vater über mich gelästert?«
»Tonio van Luyden hat mir von Ihrem Laden erzählt.«
»Meinem Vater ist die Sache ein bisschen peinlich. Ich glaube, es wäre ihm egal, wenn ich den Laden in Borken oder Münster eröffnet hätte, aber hier, so dicht beim Schloss ... Seine Ahnenreihe und der Ruf der Familie gehen ihm über alles. Dabei ist Tischlerei ein königliches Handwerk. Kaiser Joseph I. hat getischlert, und gar nicht mal schlecht.«
»Immerhin verlangen Sie auch königliche Preise«, bemerkte ich.
Sie lachte. »Das ist keine Fabrikproduktion. Ich fertige jedes Stück von Hand, nach alten Methoden. Aus guten Hölzern, hauptsächlich Kirsche und Buche. Eiche mag ich nicht und bei Kiefer denkt man sofort an Billigmöbel. Außerdem kann man bei mir Möbel nach eigenen Wünschen und Vorstellungen in Auftrag geben.«
»Mit anderen Worten: Der Laden läuft gut.«
»Meine Kunden kommen zum Teil von weit her. Ich bin nicht reich geworden, aber ich komme zurecht. Wahrscheinlich würde ich mehr verdienen, wenn ich tatsächlich nach Münster gegangen wäre. Es ist nur so, dass mir die Gegend hier gefällt, ich will nicht weg. Geld ist nicht der einzige Wert im Leben.«
»Und um Ihre Alterssicherung brauchen Sie sich zum Glück keine Sorgen zu machen.«
»Nein. Irgendwann wird mir die Hälfte des Schlosses gehören.« Ihr Gesicht blieb offen und freundlich. »Sagen Sie, Sie sind doch nicht zufällig vorbeigekommen?«
»Zurzeit bin ich damit beschäftigt, Informationen zu sammeln, so viele wie möglich und von wem auch immer. Bis jetzt weiß ich nur, dass es sich bei den Tätern wahrscheinlich um Jugendliche handelt und sie vermutlich in Disselburg oder Umgebung wohnen. Was um so verwunderlicher ist, weil – und ich bin dafür ja das beste Beispiel – hier normalerweise nichts und niemand geheim bleibt.«
Anke Schwelm nickte. »Offen gestanden, das verwundert mich auch. Meine Eltern, insbesondere meine Mutter, leiden furchtbar unter den Anschlägen. Fast jede Nacht schrillt die Alarmanlage. Ich wünschte wirklich, die Täter würden gefasst.«
Ich erzählte ihr von der neuesten Botschaft der Erpresser.
Sie erschrak. »Eine Leiche? Was meinen die damit?«
»Das wollte ich Sie eigentlich fragen.«
»Ich habe keine Idee.« In ihrem Gesicht arbeitete es.
»Woran denken Sie?«
»Es ist
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