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Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen

Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen

Titel: Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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überließ ich Franka vor dem Haus der Fahlenbuschs den Wagen, verbunden mit dem Auftrag, Tochter Ina im Auge zu behalten, falls sie das elterliche Heim verlassen sollte. Ich selbst spazierte in den Disselburger Ortskern. Dort, neben dem Feinkostladen, wohnte Max Mehring.
    Mehrings Augen flackerten und sein Atem roch nach Alkohol. »Sie?«
    Aus den Lautsprechern der Audio-Anlage dröhnte der gesungene Lebensschmerz eines Depri-Rockers. Mehring drehte die Lautstärke herunter.
    »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Immer noch dieselbe leidige Geschichte.«
    »Ach ja? Wollen Sie ein Bier?«
    »Nein, danke.« Ich setzte mich auf einen Sessel. Das Wohnzimmer war klein, aber durchaus geschmackvoll eingerichtet. Der Teppichboden und die Schränke hätten allerdings eine gründliche Reinigung vertragen.
    Er schlurfte in die Küche und kam mit einer frisch geköpften Flasche zurück.
    »Manchmal geht mir der Job so was von auf den Geist.« Ächzend ließ er sich auf ein schmales Ledersofa fallen und verschluckte ein Drittel des Flascheninhalts. »Diese ewigen Vereinsversammlungen und Seniorengeburtstage sind unerträglich. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.«
    Ich nickte verständnisvoll.
    »Aber Sie sind sicher nicht gekommen, um sich mein Gejammer anzuhören.«
    »Ich würde gern Ihre Meinung zu einigen Informationen hören, die ich gesammelt habe.«
    »Schießen Sie los!«
    »Über den früheren Jagdaufseher Wolfgang Nieswind und Alex van Luyden, zum Beispiel.«
    Mehring grinste schief. »Die beiden sind schwul, das wissen Sie wohl inzwischen.«
    »Ja. Und sie waren ein Paar, bis der Graf eingegriffen hat.«
    »So erzählt man sich. Nieswind ist daraufhin abgetaucht. Aber das ist schon einige Jahre her. Glauben Sie etwa, dass das eine Bedeutung für die aktuellen Ereignisse hat?«
    »Nicht auszuschließen. Sie waren doch auch mal mit Alex van Luyden befreundet.«
    Er verschluckte sich und musste husten. »Wir waren als Jugendliche befreundet. Wir sind im gleichen Alter, haben dieselbe Schule besucht. Und er wohnte im Schloss. Ich habe ihn natürlich beneidet. Für uns war das Schloss der absolute Hit, ein riesiger Abenteuerspielplatz. Wir sind durch die dunklen Gänge geschlichen und haben uns als Ritter gefühlt, manchmal haben wir uns auch einen Spaß daraus gemacht, Touristen zu erschrecken. Mehr war da nicht. Ich bin nicht schwul und Alex hat nicht versucht, mich rumzukriegen. Wahrscheinlich wusste er damals selbst noch nicht, dass er schwul ist.«
    Eine lange Verteidigungsrede, wenn man bedachte, dass ich ihm gar keinen Vorwurf gemacht hatte.
    »Wovor haben Sie Angst?«, fragte ich geradeheraus.
    »Ich?« Die Erwähnung seiner Beziehung zu Alex hatte ihn ernüchtert. »Ich habe keine Angst.«
    »Tatsächlich habe ich einen anderen Eindruck.«
    »Sie irren sich. Ich glaube nur, dass Sie auf dem Holzweg sind, wenn Sie die Anschläge auf das Schloss in Verbindung mit Alex van Luyden und Wolfgang Nieswind bringen.«
    Ich wischte seinen Einwand beiseite. »Was wissen Sie über die Leiche, die stückweise zum Vorschein kommt?«
    »Nichts.«
    »Als ich im Rathaus von dem Knochen erzählte, wurden Sie bleich wie eine Leinwand.«
    »Es ging mir nicht gut, das habe ich Ihnen doch gesagt.«
    »Ich denke, dass Sie mehr wissen, als Sie zugeben.«
    »Denken Sie, was Sie wollen!« Er leerte die Flasche fast bis zum Grund. »Kümmern Sie sich nicht um die Leiche!«
    »Warum?«
    »Weil sonst noch ein Unglück geschieht.«
    »Ist das eine Drohung?«
    »Eine Prophezeiung.« Er rülpste. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich den Rest des Abends lieber allein verbringen. Sie wissen ja, wo die Tür ist.«
    Die drei oder vier Kilometer bis zum Schloss legte ich zu Fuß zurück. Falls es in Disselburg einen öffentlichen Nahverkehr gab, dann fand er jedenfalls nicht in den späteren Abendstunden statt. Andererseits gab mir der Fußmarsch Gelegenheit, über das Gespräch mit Max Mehring nachzudenken.
    Es hatte tatsächlich nicht wie eine Drohung geklungen, als er sagte, es würde noch ein Unglück geschehen. Eher wie eine Warnung, dass ich jemanden in Gefahr bringen könnte. Aber wen? Ihn selbst? Alex van Luyden? Und worin bestand die Gefahr? Was durfte ich nicht herausfinden?
    Der Wind raschelte in den Bäumen. Allmählich wurden die Nächte kühler. Zumindest nachts streckte der Herbst seine windigen Finger aus.
    Eines stand fest, Max Mehring war kein unbeteiligter Beobachter, sondern ganz nah am Zentrum des Geschehens.

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