Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
Flaschen bestückt, wurden sichtbar.
»Der frühere Weinkeller«, sagte der Graf. »Hier lagerten die alten Schätze meines Vaters, zum Teil noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.«
»Die Wand da drüben.« Michael streckte seinen Arm aus.
Die Taschenlampen schwenkten in die angegebene Richtung.
»He! Das Regal stand beim letzten Mal nicht da«, sagte Michael verblüfft.
Zwei Polizisten schoben das Regal zur Seite. Die Wand wies kein Loch auf. Dafür einen kreisrunden Fleck, der neuer aussah als das übrige Mauerwerk.
»Das waren wir nicht, ehrlich«, beteuerte Michael. »Wir haben die Wand nicht zugemauert.«
»Aufbrechen!«, befahl Stürzenbecher.
Vorsorglich hatte er bereits vor dem Einstieg in die Unterwelt angeordnet, das notwendige Werkzeug mitzunehmen. Die beiden Polizisten machten sich wieder an die Arbeit. Und fünf Minuten später wussten wir, dass der Hohlraum hinter der Wand leer war. Stürzenbecher, der seinen großen Kopf durch die Öffnung gesteckt hatte, zog ihn vorsichtig zurück.
»Frau Hülting, sorgen Sie dafür, dass die Spurensicherung das hier untersucht. Bis dahin darf niemand den Raum betreten. Sie«, wandte er sich an einen der Disselburger Polizisten, »bleiben als Wache vor der Tür.«
Der Mann sah nicht begeistert aus.
»Der Grundriss ist nicht sehr genau«, sagte der Schlossherr von Disselburg. Stürzenbecher und ich standen zusammen mit dem Grafen zu Schwelm-Legden in dessen Arbeitszimmer. Vor uns auf der Arbeitsfläche lag eine großformatige Zeichnung, die die Grundfläche des Kellergeschosses wiedergab.
»Das Schloss ist im Laufe der Jahrhunderte immer wieder umgebaut worden, ganz abgesehen von Feuersbrünsten und Beschädigungen durch kriegerische Auseinandersetzungen, die zu umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen zwangen. So ist es theoretisch denkbar, dass ein solch toter Raum entstehen konnte. Trotzdem glaube ich nicht, dass die Wand sehr alt ist.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Stürzenbecher, der Mühe hatte, dem Grafen zu folgen.
»Ich meine, dass die Wand vor gar nicht so langer Zeit neu errichtet wurde. Gar nicht so lange bezieht sich selbstverständlich auf das Alter des Schlosses. Sagen wir: in den letzten zwanzig Jahren.«
»Aha«, sagte Stürzenbecher. »Wenn ich das mal in schlichtes Deutsch übersetzen darf: Sie glauben, dass jemand den Mann ermordet und dann eine Mauer gebaut hat, um die Leiche zu verstecken.«
»So könnte man es ausdrücken«, stimmte der Graf zu. »Unter der Voraussetzung, dass der Mann tatsächlich ermordet worden ist.«
»Es sieht so aus, als habe ihm jemand auf den Kopf geschlagen«, meinte der Hauptkommissar. »Genaueres müssen die Gerichtsmediziner herausfinden, so gut das bei einer Leiche möglich ist, von der wir nur den Schädel und einen Oberschenkelknochen haben. Haben Sie eine Idee, wer die Wand gebaut haben könnte?«
Graf Joseph zuckte die Achseln. »Das entzieht sich völlig meiner Vorstellungskraft.«
»Sie vielleicht?«
»Ich?« Der Graf schaute Stürzenbecher entrüstet an. »Warum sollte ich so etwas tun, Herr Hauptkommissar?«
»Um sich der Leiche Ihres Jagdaufsehers Wolfgang Nieswind zu entledigen.«
»Aber«, Schwelm-Legden warf mir einen raschen Blick zu, »das habe ich mit Herrn Wilsberg doch schon mehrfach erörtert. Wir, das heißt mein Sohn Wilhelm und ich, haben Nieswind kein Haar gekrümmt. Wir sind nicht gerade freundlich mit ihm umgegangen, das stimmt, aber ich versichere an Eides statt, dass Nieswind das Schlossgelände unverletzt verlassen hat. Ich glaube nicht, dass er sich anschließend in den Keller geschlichen hat, um dort seinem Mörder zu begegnen.«
»Hat Nieswind schlechte Zähne?«, wechselte Stürzenbecher das Thema.
»Nein. Er war ja ein junger und gesunder Mensch.«
»War?«
»Als er für mich gearbeitet hat. Über seinen heutigen Gesundheitszustand kann ich keine Auskünfte geben.«
»Die Zähne wären ein Punkt für Sie«, stellte Stürzenbecher fest. »Der Tote hatte nämlich schlechte Zähne. Wir werden das noch bei Nieswinds Zahnarzt überprüfen. Mal angenommen, der Tote ist nicht Nieswind, wer könnte es sonst sein?«
»Da bin ich überfragt«, sagte der Graf bedauernd.
Es klopfte an der Tür und Franka kam herein.
»Echt geil, das Schloss!« Franka hatte die Zeit genutzt, um einen Rundgang zu machen.
Der Graf bewahrte Contenance: »Freut mich, dass Ihnen mein Anwesen gefällt.«
»Und diese putzigen Betten! Wie klein die Leute damals gewesen sein
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