Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
Ärzte, Rechtsanwälte und Talkmaster im sozialen Ansehen vor den Privatdetektiven lagen.
Ich trabte zu meinem Auto zurück, ließ den Motor an und fuhr einmal um den Block, nur für den Fall, dass mich Kleinschmidt vom Fenster seines Hauses aus beobachtete. Dann dachte ich nach. Natürlich konnte ich darauf warten, dass Kleinschmidt irgendwann das Haus verließ. In früheren Zeiten hatte es mir nichts ausgemacht, stunden- oder tagelang im Auto zu hocken. Doch mit dem Alter wurde ich müder und bequemer. Ich griff zum Handy und rief Franka an. Sie war im Pferdestall und nicht begeistert von meiner Idee. Allerdings verlangte ich auch keine Begeisterung.
»Wenn du ein Date mit ihm vereinbarst, sag ihm, dass du nur heute Zeit hast und dich mit ihm in der Stadt treffen willst. Halte ihn ein bisschen hin. Ich brauche etwa eine Stunde.«
Zehn Minuten später öffnete sich das Garagentor und Berthold Kleinschmidt lenkte seinen Opel Vectra auf die Straße. Geschichten vom plötzlichen Reichtum, den man hochverzinslich anlegen will, locken auch den miesesten Geier aus seinem Horst.
V
Steffi Kleinschmidt wusste nicht, was sie von mir halten sollte.
»Ich will offen zu Ihnen sein«, sagte ich. »Ich habe Ihren Mann weggelockt. Sie können mir die Tür vor der Nase zuschlagen oder mit mir über Jessica Wiedemann reden.«
»Warum ...«
»Jessica ist ermordet worden.«
Sie riss ihre dezent geschminkten Augen auf. »Was?«
»Das steht seit heute fest. Jessicas Schwester war der plötzliche Herzschlag nicht geheuer, sie hat mich beauftragt und ich habe dafür gesorgt, dass Jessicas Leichnam obduziert wurde. Die Polizei hat bereits Rainer Wiedemann verhaftet.«
»Und ...«
»Ich bin nicht davon überzeugt, dass er der Täter ist. Ich würde gern mehr über Jessica erfahren. Sie waren schließlich ihre beste Freundin.«
Sie schaute zur Straße.
»Ihr Mann wird erst in einer Stunde zurückkommen.«
Beinahe hätte sie gelächelt. »Kommen Sie rein!«
Sie ging voran und ich durfte ihren Hüftschwung bewundern. Das Wohnzimmer sah aus, als würde es selten benutzt. Ein angebauter Wintergarten vergrößerte den Raum, der echte Garten dahinter stand knöcheltief unter Wasser.
Steffi Kleinschmidt verschränkte nervös ihre Arme. »Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee?«
»Nein danke, sehr freundlich von Ihnen.«
Sie war viel zu schön für einen Anlageberater. Aber nach meiner Meinung fragte ja niemand.
Sie setzte sich in die Sofaecke, die von meinem Sessel am weitesten entfernt war. »Das ist so überraschend. Erst Jessis Tod und dann ... Ich bin ganz durcheinander. Ich weiß gar nicht, was ich Ihnen erzählen soll.«
»Was war Jessica für ein Mensch?«
»Oh, sie war lebenslustig, sie hatte immer Pläne, sie wollte ...«
»... ihren Mann verlassen.«
»Ja. Sie hatte sich schon Wohnungen angeguckt. Ihr Traum war eine kleine Wohnung in der Innenstadt. Sie wollte noch etwas erleben, nicht in einer Umgebung wie in ...«
»Sankt Mauritz.«
Steffi Kleinschmidt nickte. »Die beiden haben früh geheiratet. Jessi war damals erst einundzwanzig. Im letzten Jahr ist ihr klar geworden, dass sich nichts mehr ändern würde. Rainer war zufrieden mit seinem Job bei der Stadt, bis zur Pension würde er ein oder zwei Gehaltsklassen aufsteigen. Einmal in der Woche ging er mit seinen Kumpel kegeln und das war's dann.«
Über Rainer wusste ich inzwischen eine ganze Menge, aber Jessicas Bild blieb unscharf. »Sagen Sie, haben Sie ein Foto von ihr?«
»Ja.« Sie ging zum Schrank und kam mit einem Fotoalbum zurück. »Im Sommer waren wir zusammen im Urlaub, an der Costa Brava.«
»Sie und Jessica?«
»Nein.« Sie lächelte verlegen. »Rainer, Jessica, Berthold und ich.«
Während sie das Album aufschlug, beugte sie sich über mich. Ich konnte ihr Parfüm riechen.
»Hier! Das ist Jessica.«
Die üblichen Urlaubsfotos, jeweils drei Menschen in unterschiedlichen Konstellationen, immer nebeneinander und in die Kamera lachend, mal in voller Bekleidung vor Landschaftskulisse, mal in Badehose und Bikini am Strand. Jessica war fast so groß und ebenso schön wie Steffi, vorausgesetzt, man stand auf wasserstoffblond. Wenn die beiden allein auf die Piste gegangen waren, hatten sie vermutlich für ziemlich viel Aufsehen gesorgt.
»War Jessicas Freund ein Grund für die Trennung?«
Kleinschmidt zuckte zusammen. »Woher wissen Sie das?«
Ich lächelte. »Ich bin Privatdetektiv. Es ist mein Job, Dinge herauszufinden.«
Sie klappte das
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