Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
eine beste Freundin?«
»Steffi Kleinschmidt«, kam die spontane Antwort. »Die beiden kannten sich seit der Schule und trafen sich mindestens einmal in der Woche.«
»Wo finde ich diese Steffi Kleinschmidt?«
»Sie wohnt in Gremmendorf, in der Nähe vom Albersloher Weg.«
Ich sagte, dass ich vorläufig keine Fragen mehr hätte, und ließ mir Kachelpöhlers Visitenkarte geben. An der Tür drehte ich mich noch einmal um. »Übrigens, Herr Wiedemann, falls Sie einen anderen Anwalt brauchen, ich könnte Ihnen jederzeit einen guten empfehlen.«
»Ausflüchte«, sagte Hauptkommissar Stürzenbecher, als wir ein paar Minuten später in seinem Büro standen. Ich hatte den Inhalt des Gespräches zusammengefasst, ohne Steffi Kleinschmidt zu erwähnen.
»Er hatte ein Motiv und die Gelegenheit. Das Motiv hat er dir gerade selbst geliefert: ›Ich wollte sie nicht gehen lassen‹ , waren das nicht seine Worte? Nun, er hat sie nicht gehen lassen. Er hat sie umgebracht, bevor sie ihn verlassen konnte.«
»Ich weiß nicht«, sagte ich zweifelnd. »Auf mich wirkt er nicht wie ein Mörder.«
Stürzenbecher schnaubte. »Mörder sehen aus wie du und ich. Ich habe mir abgewöhnt, mich vom äußeren Erscheinungsbild beeindrucken zu lassen. Mörder können die nettesten Menschen der Welt sein, zumindest vor und nach der Tat.«
»Wie ist eigentlich das Beruhigungsmittel in Jessicas Blut gekommen?«, fragte ich.
Stürzenbecher schaute mich an. »Da tappen wir noch im Dunkeln. Vielleicht hat sie die Pillen selbst genommen, weil sie sich vor einer Auseinandersetzung mit Wiedemann fürchtete. Jedenfalls hatte sie genug intus, um nahezu wehrlos zu sein. Denkbar auch, dass er ihr das Zeug eingeflößt hat.«
»Was ist mit der Packung?«
»Die haben wir nicht gefunden. Wiedemann hatte ja Zeit genug, sie wegzuwerfen.«
»Und der genaue Todeszeitpunkt lässt sich nicht bestimmen, weil deine Kollegen so kläglich versagt haben.«
Der Hauptkommissar verzog das Gesicht. »Das ist nun mal nicht zu ändern. Die Nachbarn haben an jenem Nachmittag, als Jessica ermordet wurde, keine Besucher gesehen. Übrig bleibt nur der Ehemann.«
»Oder ihr Liebhaber, dem sie lästig wurde.«
»O ja, der ominöse Liebhaber.« Stürzenbecher tippte mir auf die Brust: »Hör zu, Wilsberg: Ich kann dich nicht daran hindern, weiter herumzuschnüffeln. Aber wenn du irgendetwas herausfindest und es mir verheimlichst, kriegst du Ärger.«
»Wieso? Du hast doch schon deinen Verdächtigen.«
»Was macht dich so sicher, dass ich keine anderen Spuren verfolge?«
»Erfahrung«, lachte ich. »Wenn ihr einmal jemanden in den Klauen habt, dann lasst ihr ihn nicht mehr los.«
»Da ist was dran«, stimmte Stürzenbecher zu.
Auf dem Albersloher Weg fuhr ich stadtauswärts. Die ehemals schmuddelige Gegend am Hafen hatte sich in den letzten Jahren zum In-Viertel gemausert. Eine Seite des Stadthafens nannte sich jetzt Kreativkai , in den ehemaligen Speichern und Lagerhäusern hatten sich Verlage, Werbeagenturen und Kneipen niedergelassen. Auch die Stadtwerke und die Halle Münsterland hatten sich neue, protzige Gebäude geleistet, und ein Cineplex mit eingebauter Disko fing die jüngeren Landeier ab, bevor sie die Innenstadt überschwemmen konnten.
Ein paar Kilometer hinter dem Dortmund-Ems-Kanal und der Umgehungsstraße lag der Stadtteil Gremmendorf. Gremmendorf sah im Grunde so ähnlich aus wie Sankt Mauritz, nur waren hier die Häuser älter, die Grundstücke größer und die Bäume an den Straßen höher.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, die Versicherungsnummer noch einmal abzuziehen, aber als ich das Schild neben der Haustür der Kleinschmidts sah, disponierte ich blitzschnell um. Berthold Kleinschmidt war von Beruf Versicherungs- und Anlageberater. Ich schellte.
Auch mein Ersatzplan ging daneben. Statt Steffi, bei der ich auf Verständnis hoffen durfte, öffnete Berthold die Tür. Während ich ihm erzählte, dass ich Privatdetektiv sei und im Auftrag von Verwandten den Tod von Jessica Wiedemann aufzuklären beabsichtigte, tauchte hinter seinem Rücken eine große, dunkelhaarige Frau auf, die mich neugierig anschaute. Ich lächelte der Frau zu und wusste im selben Moment, dass das ein Fehler gewesen war. Berthold drehte sich um, registrierte, dass seine Frau mein Lächeln erwiderte, und sagte dann: »Wir müssen nicht mit Ihnen reden, oder?«
»Nein, ich bitte Sie lediglich darum.«
»Gut. Dann verschwinden Sie.«
Manchmal verzweifelte ich daran, dass sogar
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