Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor
Teilen an unsere Kinder und mich. Bis zum 24. Geburtstag von Nike und Wotan verwalte ich ihren Anteil.«
»Und seine Exfrau erhält nichts?«
»Nein, die Unterhalts- und Vermögensfragen sind bei der Scheidung geklärt worden.«
»Sie brauchen sich um Ihre finanzielle Zukunft also keine großen Sorgen zu machen?«
Marie schnaubte. »Was für eine Frage, Herr Hauptkommissar! Ich stehe vor dem Nichts. Ich habe zwar einen Doktortitel, aber keinen Beruf. Natürlich stürze ich nicht in die Armut, aber das Bankkonto meines Mannes und seine Lebensversicherung werden nicht ewig reichen. Ich habe noch keine Ahnung, was ich machen werde, um mich und meine Kinder zu ernähren.«
Stürzenbecher entschuldigte sich halbherzig, seine Frage sei wohl missverständlich gewesen.
»Kommen wir zu einem anderen Punkt.« Er faltete seine Hände. »Wie haben Sie Ihren Mann kennen gelernt?«
»An der Uni. Ich habe bei ihm studiert und auch promoviert.«
»Hatte er schon damals andere ... Beziehungen?«
»Vermutlich«, sagte Marie leise.
»Bitte sprechen Sie laut und deutlich, damit wir Ihre Antworten auf Band haben!«
»Vermutlich«, wiederholte Marie lauter.
»Vermuten Sie es nur oder wissen Sie es?«
»Na ja, es wurde viel getratscht, am meisten von denen, für die sich Günter bestimmt nicht interessiert hat. Das ist doch normal, das gibt es in jedem Betrieb.«
»Und das hat Sie nicht gestört?«
»Er hat mir damals erklärt, dass seine Ehe absolut frustrierend sei, dass er seit Jahren nicht mehr mit seiner Frau geschlafen habe. Und dass er unsterblich in mich verliebt sei und mich heiraten wolle. Danach werde sich alles ändern, er werde mir bis ans Lebensende treu bleiben.«
»Das haben Sie ihm geglaubt?«
»Offensichtlich.«
»Bitte antworten Sie klar und eindeutig!«
Marie schaute zu mir. Ich nickte.
»Ja, das habe ich ihm geglaubt. Auch wenn Sie es nicht für möglich halten, Herr Hauptkommissar: Ich habe meinen Mann geliebt.«
Stürzenbecher reagierte nicht auf ihre Bemerkung. »Bis wann haben Sie ihm geglaubt?«
»Bis vor kurzem.«
»Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dass er lügt?«
»Das habe ich Ihnen doch schon gestern erzählt«, sagte die Witwe genervt.
»Dann sagen Sie es noch einmal!«
»Es waren kleine Dinge. Dass er Telefongespräche abbrach, wenn ich den Raum betrat, dass er regelmäßig zu spät von der Uni heimkam und immer erst unter die Dusche ging.«
»Dinge, die Ihnen vorher nicht aufgefallen waren?«
»Nein.«
»Frau Kaiser«, Stürzenbecher machte eine Pause, um seinen Worten mehr Bedeutung zu verschaffen, »nach unseren bisherigen Ermittlungen hat Ihr Mann sein Verhalten nie geändert. Wir haben noch längst keinen genauen Überblick, auf jeden Fall scheint die Zahl seiner Affären beträchtlich gewesen zu sein.«
Marie blieb cool. »Dann habe ich mich eben blenden lassen. Vielleicht wollte ich, dass wir eine normale, glückliche Familie sind.«
»Das glaube ich Ihnen nicht«, schaltete sich Kommissarin Brünstrup ein. »Jede Frau spürt doch, wenn ihr Mann fremdgeht. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie in all den Jahren nichts gemerkt haben.«
»Die Frage ist unzulässig«, meldete sich Franka. »Frau Brünstrup argumentiert mit ihrem Instinkt, den sie für allgemeingültig hält. Oder haben Sie Beweise, dass meine Mandantin die Unwahrheit sagt?«
»Wir ziehen die Bemerkung zurück«, glättete Stürzenbecher die Wogen.
Brünstrup schmollte.
»Was mich nur stutzig macht«, fuhr Stürzenbecher mit betont freundlicher Stimme fort, »ist die Koinzidenz der Ereignisse. Sie beauftragen Herrn Wilsberg, Ihren Mann zu beobachten, und gleichzeitig wird Ihr Mann erschossen.«
»Na und?«, fragte Marie.
»Ein Zufall«, bemerkte ich. »Was spricht dagegen?«
»Dass ich nicht an Zufälle glaube«, knurrte Stürzenbecher.
»Andersherum gefragt«, konterte ich, »habt ihr irgendeinen Hinweis, dass Frau Kaiser am Tod Ihres Mannes beteiligt war? Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass sie mit einem Scharfschützengewehr Ihren Mann erschossen hat?«
»Es gibt noch eine Menge anderer Möglichkeiten.«
»Es gibt auch eine Menge anderer möglicher Täter.«
»Wir werden allen Spuren nachgehen. Und noch stellen wir hier die Fragen«, polterte Stürzenbecher.
»Darf ich aus Ihrer Bemerkung schließen, dass Sie meine Mandantin verdächtigen?«, erkundigte sich Franka.
»Nein, das dürfen Sie nicht«, fauchte Stürzenbecher. »Es handelt sich immer noch um eine
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