Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor
Überwindung, sie nicht anzufassen.
Als Antwort auf einen krachenden Donner stöhnte sie im Schlaf und rutschte noch näher an mich heran, wobei sie ein Bein auf meines schob. Ich griff zu meinem letzten Trick und versuchte mit komplizierten Rechenaufgaben, eine Erektion zu vermeiden. Nach einer halben Stunde wusste ich, dass ich so niemals einschlafen würde.
Vorsichtig und ganz langsam, sodass Marie nicht aufwachte, rutschte ich vom Sofa. Durch die Terrassentür trat ich in den Garten. Nach dem Gewitterschauer war die Luft angenehm frisch. Ich bemühte mich, an nichts zu denken, und nach einer Weile klappte es auch ganz gut. Dann kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, setzte mich in einen Sessel und deckte mich mit meinen abgelegten Kleidungsstücken zu. Kurz darauf schlief ich ein.
V
»Trinken Sie Kaffee zum Frühstück?«, fragte eine freundliche Frauenstimme.
Ich blinzelte. Marie Kaiser stand vollständig bekleidet, frisiert und dezent geschminkt vor mir.
»Ja, gerne«, sagte ich mit belegter Stimme. Ich hielt mir die Armbanduhr vor die Augen. Es war acht Uhr.
Marie zog die Fenstervorhänge zurück. »Sie haben bestimmt sehr unbequem geschlafen.«
Ich versuchte, den Kopf zu bewegen, der Nacken war steif wie ein Brett. »Es geht. Ich habe schon manche Nacht im Auto verbracht, meine Rückenwirbel sind einiges gewohnt.«
»Es ist sonst nicht meine Art, zu fremden Männern ins Bett zu steigen. Sie hätten mich ruhig rausschmeißen dürfen.«
»Vielleicht können Sie ja das nächste Mal ein bisschen länger wach bleiben.«
Sie lächelte. »Es wird kein nächstes Mal geben, das verspreche ich Ihnen.«
Mir war klar, dass ich mich auf sehr dünnem Eis bewegte, deshalb verkniff ich mir die ersten drei Bemerkungen, die mir einfielen, und sagte: »Könnte ich vor dem Frühstück noch unter die Dusche springen?«
»Natürlich. Das Badezimmer ist oben. Nehmen Sie sich ein Handtuch vom Stapel!«
Ich stemmte mich aus dem Sessel hoch und bekam eine Ahnung davon, wie ich mich in zwanzig Jahren jeden Morgen fühlen würde.
Nachdem ich ein paar Minuten unter dem heißen Wasserstrahl gestanden hatte, konnte ich mich wieder einigermaßen schmerzfrei bewegen. Die verspannten Muskeln wurden lockerer und auch der Kopf ließ sich problemlos drehen.
Marie wartete bereits in der Küche. Es roch nach Kaffee und frischem Toast, was meinen Wiederbelebungsprozess beschleunigte.
»Ich frühstücke sonst immer um sieben«, sagte sie, »aber ich wollte Sie nicht wecken.«
»Nett von Ihnen.«
»Wie fühlen Sie sich?«
»Ich könnte Bäume ausreißen, vorausgesetzt, ein Sturm hat sie schon umgeknickt.«
»Immerhin haben Sie Ihren Humor nicht verloren.«
»Eigentlich bin ich ein Morgenmuffel. Es muss an Ihrer Ausstrahlung liegen.« Ich schnappte mir eine Toastscheibe und beschmierte sie mit Margarine und Honig. »Eine Frage ist noch offen: Soll ich nun für Sie arbeiten oder nicht?«
Sie grinste. »Darüber habe ich heute Morgen nachgedacht. Wissen Sie, am liebsten wäre es mir, ich könnte Sie als Stand-by-Leibwächter engagieren. Immer wenn jemand ums Haus schleicht, rufe ich Sie an und Sie kommen vorbei.«
»Klar«, sagte ich kauend, »das ist machbar. Allerdings nur so lange, wie es die Auftragslage zulässt. Schließlich verdiene ich mein Geld unter anderem damit, herauszufinden, wo und mit wem ein geliebter Partner den Abend und die Nacht verbringt.«
»Das ist mir bewusst.« Sie wirkte ein wenig enttäuscht. »Aber ich muss auch an meine Finanzen denken. Ich bin nicht reich. In meiner Lage sollte ich darauf vertrauen, dass die Polizei den richtigen Mörder schnappt.«
»Das verstehe ich vollkommen.« Ich griff nach der zweiten Toastscheibe. Mein Handy klingelte.
»Wo bist du?«, fragte Franka.
»Bei Frau Kaiser.«
Marie zog die Augenbrauen hoch.
»So früh am Morgen?« In Frankas Stimme war eine Spur Eifersucht hörbar.
»Nächste Frage!«, schlug ich vor.
»Hast du heute schon Deutschlands führendes Boulevardblatt gelesen?«
Ich grunzte. »Wie du weißt, gehört das nicht zu meinen morgendlichen Ritualen. Ich sage ja nicht, dass ich diese Zeitung niemals lese, aber bestimmt nicht vor dem Frühstück.«
»Heute lohnt es sich«, sagte Franka. »Du hast Anrecht auf ein fettes Honorar.«
»Wieso?«
»Sie haben ein Foto abgedruckt, das Professor Kaiser im Clinch mit einer pummeligen Blondine zeigt, mit schwarzen Balken an den Stellen, die nicht jugendfrei sind.«
»Scheiße«, fluchte ich.
»Du hast es ihnen
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