Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor
habe ich auch ein Foto. Es wurde in unseren Nachtbriefkasten geworfen.«
Er legte den Schnappschuss auf den Schreibtisch. Das Bild zeigte Marie und mich auf dem Schlafsofa.
Franka starrte mich wütend an.
»Es ist nicht das, wonach es aussieht«, sagte ich.
»Ich finde, es ist ziemlich eindeutig«, meinte Stürzenbecher.
»Gestern Abend ist jemand bei Frau Kaiser eingebrochen.«
Ich erzählte zum zweiten Mal die Geschichte von Daniel Kaiser. »Sie hat mich gebeten, bei ihr zu übernachten, weil sie sich fürchtete. Mehr war da nicht.«
»Ihr habt also nur ein bisschen gekuschelt?«
»Nicht mal das. Sie ist sofort eingeschlafen.«
»Du Ärmster«, höhnte Stürzenbecher. »Das muss hart für dich gewesen sein.«
»Das Foto ist mit Blitzlicht aufgenommen worden«, warf Franka ein. »Hast du nichts gemerkt?«
»Letzte Nacht gab es ein Gewitter«, erinnerte ich sie. »Wie sollte ich da einen Blitz von einem Blitzlicht unterscheiden?«
»Und wie soll ich dem Staatsanwalt erklären, dass du nicht unser Hauptverdächtiger bist?«, meinte Stürzenbecher. »Du machst Fotos aus der Perspektive des Todesschützen und anschließend liegst du mit der Witwe im Bett.«
»Dumme Zufälle.«
»Noch glaube ich dir, aber dein Konto ist erschöpft, Wilsberg. Wenn ich herausfinde, dass du vor Kaisers Tod etwas mit ihr hattest, nehme ich dich fest, Freundschaft hin oder her.«
»Ich hatte und habe nichts mit ihr«, verteidigte ich mich. »Es ist doch offensichtlich, dass mir jemand was anhängen will. Und dieser Jemand und der Mörder könnten gut und gerne ein und dieselbe Person sein.«
»Irgendwelche Vorschläge?«, fragte Stürzenbecher.
»Spontan fällt mir Daniel Kaiser ein. Er war kurz zuvor im Haus. Denkbar, dass er uns beobachtet hat.«
»Na gut, ich muss sowieso mit Daniel Kaiser reden. Und, Wilsberg: Sei vorsichtig! Du darfst dir keinen Fehler mehr erlauben.«
»So, so, du hast nicht mit ihr geschlafen?«, grummelte Franka, als wir mit dem Aufzug nach unten fuhren.
»Nein, verdammt.«
»Du hättest mir das sagen müssen.«
»Wir sind weder verlobt noch verheiratet.«
Franka klatschte sich mit der Hand vor die Stirn. »Georg, als Anwältin muss ich mindestens so viel wissen wie die Polizei. Sonst stehe ich da wie eine dumme Anfängerin.«
Ich sah ein, dass sie Recht hatte, wollte es aber nicht zugeben. »Von jetzt an werde ich mich selbst um die Sache kümmern, egal ob Marie zahlt oder nicht. Irgendjemand will mich da reinziehen, und das lasse ich mir nicht gefallen.«
»Sei bloß vorsichtig!«
»Du klingst schon wie Stürzenbecher.«
»Du kannst froh sein, dass du ihn kennst. Sonst würdest du längst in U-Haft sitzen.«
»Ich weiß. Deshalb werde ich die Zeit nutzen.«
Wir verließen das Polizeipräsidium.
»Was das Geld angeht«, sagte Franka, »da habe ich eine Idee. Du bist der Urheber des Fotos und sie haben es ohne deine Einwilligung abgedruckt. Damit steht dir das Siebenfache des normalen Honorars zu. Das dürfte eine stattliche Summe sein.«
»Treib das Honorar ein!«, gab ich meine Einwilligung. »Und denk an die einstweilige Verfügung!«
Als ich zu Hause war, rief ich Marie Kaiser an und erzählte ihr von dem zweiten Foto.
Sie war konsterniert: »Wer hat denn ein Interesse daran, uns zu beobachten?«
»Jemand, der von sich ablenken will. Zum Beispiel der Mörder. Das Foto belastet uns beide.« Ich sagte ihr, dass ich aus eigenem Interesse weiterermitteln würde.
»Das weiß ich zu schätzen, Herr Wilsberg. Im Rahmen meiner Möglichkeiten ...«
»Darüber können wir später reden. Machen Sie sich vorläufig keine Gedanken!«
Kaum hatte ich aufgelegt, klingelte das Telefon.
»Wolfgang Kohlmann«, meldete sich eine befehlsgewohnte Männerstimme.
Ich dachte noch darüber nach, was mir der Name sagen sollte, als er hinterherschob: »Viola ist meine Frau. Ich möchte mit Ihnen über die Fotos reden, die Sie von ihr gemacht haben.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich Fotos von ihr gemacht habe?«
»Weil Viola es mir erzählt hat, Sie Logikgenie.«
Sein Ton gefiel mir nicht, aber in meinem Beruf konnte man sich seine Gesprächspartner nicht immer aussuchen. »Na schön, reden Sie!«
»Ich bin in meiner Jagdhütte in den Baumbergen. Macht es Ihnen etwas aus, vorbeizukommen?«
Kohlmann war wütend, das war nicht zu überhören. Aber darin lag auch eine Chance. Wütende Menschen reden oft schneller, als sie denken, und plaudern dabei Dinge aus, die sie bei kühlerem Verstand lieber
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