Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor
also nicht gegeben?«
»Natürlich nicht. Stürzenbecher hat die Kamera eingesackt.«
»Dann sollten wir ihm auf die Bude rücken, findest du nicht?«
»Unbedingt.«
»Okay, ich komme gleich vorbei.« Franka beendete das Gespräch.
»Was ist passiert?«, fragte Marie.
Ich holte Luft. »Eine bedauerliche Panne. Eine Zeitung hat eines der Fotos veröffentlicht, die ich gemacht habe.«
Marie begriff nicht: »Was für ein Foto?«
»Ein Foto, das Ihren verstorbenen Mann in einer wenig schmeichelhaften Position zeigt.«
»Aber ...« Sie wurde bleich.
»Von mir haben sie es nicht«, verteidigte ich mich. »Das Leck muss bei der Polizei liegen.«
»Das dürfen die doch gar nicht«, stammelte die Witwe.
»Das ist auch nicht offiziell gelaufen. Da hat sich jemand unter der Hand ein paar Euro verdient.«
»Heißt das, jeder kann sehen, wie ...«
Ich betrachtete die trockene Toastscheibe. Der Appetit war mir vergangen.
Franka brachte das Skandalobjekt mit. Das Foto war auf der Westfalenseite der Zeitung abgedruckt, groß genug, um auch Einzelheiten ohne Lupe erkennen zu können.
»Ich kann mich ja nicht mehr aus dem Haus trauen«, jammerte die Witwe. »Jeder wird mich auf dieses schmutzige Foto ansprechen. Ich sehe schon die hämischen Gesichter meiner Nachbarn vor mir.«
»Wir sollten per einstweiliger Verfügung eine Unterlassungserklärung beantragen«, schlug Franka vor. »Möglicherweise haben die noch mehr Fotos, die sie veröffentlichen wollen. Bei einer Ordnungsstrafe von 250.000 Euro im Fall der Zuwiderhandlung werden sie es sich vermutlich anders überlegen. Ich kann das sowohl in Ihrem Namen, weil das Ansehen Ihres verstorbenen Mannes verletzt wurde, wie auch im Namen des Fotografen, also Georgs, beantragen.«
»Tun Sie das!« Marie sank in einen Sessel. »Tun Sie alles, um noch mehr Schmutz zu vermeiden! Wie soll ich das bloß meinen Verwandten erklären?«
»Anschließend könnten wir ein Schmerzensgeld einklagen.«
»Das ist mir nicht so wichtig.«
»Aber es schadet auch nicht.«
Marie nickte nur und starrte auf die Glasplatte des Wohnzimmertischs.
»Wir fahren jetzt zu Hauptkommissar Stürzenbecher«, sagte ich sanft, »und werden mächtig auf den Putz hauen. Durch diese Geschichte haben wir einiges bei ihm gut.«
Marie hob den Kopf und schaute mich mit müdem Blick an.
»Ich melde mich bei Ihnen«, sagte ich zum Abschied.
Franka war mit keinem Wort auf meine Anwesenheit im Haus Kaiser eingegangen. Erst als wir auf der Straße standen, konnte sie ihre Neugier nicht mehr zügeln: »Hast du die Nacht bei ihr verbracht?«
»Ja. Sie hatte gestern Abend ungebetenen Besuch.« Ich erzählte von der Begegnung mit Daniel Kaiser. »Marie war verängstigt. Deshalb bin ich bei ihr geblieben.«
»Marie? Hast du mit ihr geschlafen?«
Ich zischte. »Das geht dich überhaupt nichts an.«
»Ich frage als ihre Anwältin.« Franka spielte ihre neue Rolle aufreizend sachlich. »Eine intime Beziehung zwischen ihr und dir würde unsere Rechtsposition schwächen.«
»Schön formuliert. Nein, wir haben nicht miteinander geschlafen.«
Jeder fuhr in seinem eigenen Wagen zum Polizeipräsidium. Stürzenbecher war in einer Besprechung und wir mussten zwanzig Minuten auf dem Flur warten. Als er erschien, leuchtete sein Gesicht wie eine rote Ampel.
»Ich weiß, ich weiß«, knurrte er zur Begrüßung. »Ich habe diese Scheiße schon gesehen.«
Er schloss die Tür auf, wir folgten ihm ins Büro.
»Wie ist das Foto in die Zeitung gekommen?«, fragte ich.
»Da gibt es zwei Möglichkeiten«, antwortete Stürzenbecher. »Entweder sie haben es von dir oder von uns.«
»Sei nicht albern! Du hast mir die Kamera abgenommen.«
»Du könntest das Speicherdings ausgewechselt haben.«
»Habe ich nicht. Ich besitze nur eine einzige Memory Card.«
»Dann stammt das Foto von uns. Wir haben vorhin darüber gesprochen. Die Abteilung für interne Angelegenheiten wird jeden, der die Kamera auch nur aus der Entfernung gesehen hat, eingehend befragen. Wenn sie denjenigen erwischen, der das Foto weitergegeben hat, wird er sofort suspendiert.«
»Wir beantragen eine einstweilige Verfügung, um zu verhindern, dass noch weitere Fotos veröffentlicht werden«, sagte Franka.
»Von mir aus. Und bestellen Sie Frau Kaiser, dass mir die Angelegenheit sehr Leid tut. Aber Kriminalbeamte sind auch nur Menschen. Diese Zeitungen zahlen eine Menge Geld.« Stürzenbecher zog die oberste Schublade seines Schreibtisches auf. »Davon abgesehen,
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