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Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Titel: Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Vater. Dahinter schloss sich ein schwarzer Menschenstrom an, in dem ich nur wenige Bekannte entdeckte: Viola Kohlmann, Sven Weichert, Kaisers Sekretärin. Die anderen gehörten wohl zu Kaisers Verwandtschaft und dem Uni-Personal. Sogar einige Studentinnen, die kein passendes kleines Schwarzes im Kleiderschrank gefunden hatten, erwiesen Kaiser die letzte Ehre. Ob sie dem Liebhaber oder dem gnädigen Prüfer nachtrauerten, würde auf ewig ihr Geheimnis bleiben. Ganz am Ende tauchten Franka und Hauptkommissar Stürzenbecher auf. Einer dagegen fehlte: Professor Varnholt hatte es nicht übers Herz gebracht, sich von seinem Kollegen zu verabschieden.
    Kaisers Grab war nicht weit von der Gedenkstätte Euthymias entfernt. Aus einiger Entfernung beobachtete ich, wie der Sarg abgeseilt wurde, hörte, wie der Priester ohne viel Enthusiasmus den tausendmal wiederholten Satz von unserer staubigen Vergangenheit und aschigen Zukunft rezitierte, und reihte mich in die Schlange der Kondolierenden ein, die Blumen und Erde ins offene Grab warfen. Bei Sven Weichert ging ein Raunen durch die Menge, denn er ließ nicht nur mit lautem Gepolter einige Bücher auf den Sarg fallen, sondern stieß auch Laute aus, die man, böswillig interpretiert, für das Wort Scheißkerl halten konnte. Mir entging nicht, dass Viola Kohlmann Marie besonders innig umarmte. Und dann, nach einigen endlosen Minuten, stand auch ich vor Marie. Da fünfzig Augenpaare auf mir ruhten, drückte ich in stummer Zurückhaltung ihre Hand. Ihr Gesicht wurde für einen Moment weicher und sie zwinkerte mir zu. Das reichte, um meinen Magen in angenehme Schwingungen zu versetzen.
    Marie hatte darauf verzichtet, die Trauergäste in ein Lokal einzuladen, die schweigsame Spannung, die zwischen den verschiedenen Gruppen herrschte, war ohnehin zu spüren, und so flüchteten die meisten, nachdem die Zeremonie beendet war, zu den Ausgängen des Friedhofsgeländes.
    Ich hielt Weichert auf. »Ich habe da noch eine Frage.«
    »Die Formulierung kommt mir bekannt vor, Columbo.« Er zuckte und wippte, seine Nervosität wirkte wie elektrisch aufgeladen.
    »Ich habe gehört, dass Sie in letzter Zeit oft mit Kaiser geredet haben.«
    »So, haben Sie das gehört? Toll, wirklich faszinierend, dass Sie diese schlichte Feststellung wie eine Anklage klingen lassen können. Die Frage, Sherlock, ist doch: Warum sollte er nicht mit mir geredet haben? Er war mein Professor und ich sein Assistent. Reden gehört bei uns zum Geschäft, wenn Sie verstehen, was ich meine ... seine ... Leine ... Schweine ... « Er imitierte ein Grunzen.
    »Worüber haben Sie geredet?«, fragte ich, seinen Kommentar ignorierend.
    »Warten Sie! Lassen Sie mich nachdenken! Wenn wir nicht über Seminare, Diplom- und Magisterthemen, die Planung der nächsten Semester und Fachbereichsangelegenheiten gesprochen haben, dann ging es sicher um meine Habilitation ... Schwachsinnsaktion. Ja, das wird es gewesen sein, Philip-Sam.«
    »Und das war so zeitintensiv? Sie sollen stundenlang zusammengehockt haben.«
    »Ja.« Er straffte sich, wurde plötzlich ruhig. Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht. »Die Wissenschaft ist zeitintensiv, Hercule. Es gibt nur noch wenige Originalsprecher, die Masematte beherrschen – sagte ich Ihnen das nicht? Die Zeit drängt, die Sprache stirbt mit ihnen aus. Ich muss Nägel mit Köpfen machen. Und Sie, Herr Meisterdetektiv, haben, glaube ich, Ihre Fragen aufgebraucht.«
    Er lächelte erneut und ließ mich stehen.
    Während ich mich mit Weichert unterhalten hatte, war Marie mit ihren Kindern und dem älteren Paar, bei dem es sich vermutlich um ihre Eltern handelte, zum nördlichen Friedhofstor gegangen, das zur Hüfferstraße führte. Von da aus kam man auf schnellstem Weg nach Gievenbeck und ich nahm an, dass sich in Maries Haus ein relativ ungemütliches familiäres Beisammensein anbahnte. Nicht die beste Gelegenheit, um über vergangene Nächte zu reden. Aber manchmal musste man auch falsche Gelegenheiten ergreifen.

    Vor dem Haus stand ein Polizeiwagen. Stürzenbecher hatte sein Versprechen gehalten und für Polizeischutz gesorgt. Die beiden Beamten beäugten mich misstrauisch, als ich zur Haustür schritt. Und ich fühlte mich irgendwie überflüssig, denn jetzt gab es keinen Grund mehr, Marie zu beschützen.
    Marie öffnete und schaute mich fragend an.
    »Ich möchte nur kurz mit dir reden.«
    »Im Moment ist es ungünstig, Georg.« Sie machte keine Anstalten, mich

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