Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor
Ich ging weiter. Die Geliebte ließ der betrogenen Ehefrau einen schönen Gruß bestellen und war sich sicher, dass die sich darüber freuen würde. Auch etwas, worüber ich mal nachdenken sollte.
Stürzenbecher und Franka waren schon da, als ich ankam. Die Leute von der Spurensicherung puderten an den Türen. Ich machte mir keine großen Hoffnungen, dass sie dieses Mal etwas finden würden.
»Ich verlange Polizeischutz für meine Mandantin«, sagte Franka. »Die wiederholten Überfälle und Einbrüche belegen, dass sie sich in Gefahr befindet.«
»Was auch immer der Täter da gesucht hat«, Stürzenbecher zeigte zum Arbeitszimmer, »er dürfte es inzwischen gefunden haben.«
»Vielleicht denkt er, dass meine Mandantin weiß, um was es geht. Dadurch könnte sie zu seinem nächsten Ziel werden.«
»Okay, okay«, erwiderte der Hauptkommissar. »Ich werde sehen, was sich machen lässt. Aber das geht nicht von jetzt auf gleich. Da muss ich erst mit dem Staatsanwalt reden. Polizeischutz ist ein erheblicher Kostenfaktor.«
Marie stand unbeteiligt daneben, als würden die beiden nicht über sie reden.
Ich streichelte kurz ihren Arm. »Alles in Ordnung?«
Marie nickte nur.
Kurz darauf verschwanden die Polizisten und auch Franka verabschiedete sich. Marie und ich standen allein in dem großen, plötzlich stillen Raum.
»Sie fahren wieder nach Hiddingsel, zu Ihrer Familie?«, nahm ich an.
»Tja ...«
Ich schaute sie fragend an.
»Ich habe mich mit meiner Mutter gestritten. Wir können nicht länger als ein paar Tage unter einem Dach leben. Am Anfang geben wir uns Mühe, dann bricht der alte Mutter-Tochter-Konflikt wieder auf. Sie erzählt mir, wie ich meine Kinder erziehen soll, und ich sage ihr, dass sie das nichts angeht.« Marie zuckte mit den Schultern. »Ich werde wohl hier übernachten.«
»Das halte ich für keine gute Idee.«
»Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
Wir hatten uns Essen vom China-Blitz bringen lassen – Ente mit Bambus und gebratener Eierreis mit Hühnerfleisch und Gemüse, komplettiert durch Chilisoße und Glückskekse. Dazu hatte ich eine Flasche Rotwein geöffnet. Mein Klassiker für ein Abendessen, das weder angenehm noch unangenehm auffällt.
Nach anfänglichem Zögern aß Marie mit gutem Appetit. Wohl auch unter dem Einfluss des Rotweins entspannte sich ihr Gesichtsausdruck. Mir fiel wieder einmal auf, wie schön sie war. Eine schöne und intelligente Frau in meinem Wohnzimmer – wann hatte es das zuletzt gegeben?
»Falle ich Ihnen auch wirklich nicht zur Last?«, fragte Marie.
»Sie fallen mir überhaupt nicht zur Last«, sagte ich. Mir kamen Sätze in den Sinn, die von einer Begegnung unter anderen Umständen handelten, von Sympathie und dem Wunsch, sie näher kennen zu lernen. Aber da ihr Mann am nächsten Tag beerdigt werden sollte, ließ ich sie in der Kiste für ungesprochene Sätze.
»Dass ich hier in Ihrer Wohnung sitze, hätte ich mir heute Morgen noch nicht träumen lassen«, sagte Marie.
»Ich auch nicht.«
Sie lächelte, vermutlich hatte meine Antwort eine Spur zu zweideutig geklungen. »Versprechen Sie sich nicht zu viel davon.«
»Ich verspreche mir gar nichts. Das habe ich aufgegeben.«
»Stammt das aus dem Repertoire des zynischen Privatdetektivs?«
»Vermutlich habe ich zu viele Detektivfilme gesehen.« Ich brachte das dreckige Geschirr in die Küche und füllte die Rotweingläser auf.
»Sie sind ein netter Mann«, sagte Marie. »Sie tun zwar so, als stünden Sie über den Dingen, aber wenn man ein bisschen an der Oberfläche kratzt, kommt ein Mensch mit Gefühlen zum Vorschein. Ich habe gesehen, wie viel Angst Sie um Ihre Tochter hatten. Und immer wenn ich Sie brauchte, waren Sie da.«
»Bitte«, sagte ich, »kratzen Sie nicht! Es kommt auch ein Mann zum Vorschein, der sich verlieben könnte.«
Sie senkte den Blick. »Ich wollte Sie nicht verletzen.«
»Das tun Sie nicht.« Ich bemühte mich, ruhig zu sprechen. »Ich finde es schön, dass Sie das sagen. Aber wir sollten nicht vergessen, dass Ihr Leben aus den Fugen geraten ist. Unter anderen Umständen wären wir uns nie begegnet oder hätten uns wenig zu sagen. Wenn die Geschichte vorüber ist, werden Sie mich bald vergessen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte sie schnell. »Ich werde Sie nicht vergessen.«
Sie stand auf und setzte sich neben mich. Ich legte meinen Arm um ihre Schulter. Ihre Augen waren geschlossen und der Mund leicht geöffnet, als sie mir ihren Kopf zuwandte. Während ich sie
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