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Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Titel: Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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ich so etwas freiwillig ins Büro hängen würde. Wahrscheinlich würden sie besser in einem lichtdurchfluteten, vier Meter hohen Loft zur Geltung kommen, für den ich noch sparen musste.
    »Und das«, sie schob ein viertes Foto hinterher, »ist Lena.«
    Trotz des Hundehalsbands, der Igelfrisur, den Ringen im Gesicht und der grimmigen Miene sah Lena nur halb so böse aus, wie sie selbst wohl gerne gewirkt hätte.
    »Was wissen Sie über ihren Freund?«
    »Nicht viel. Ich habe ihn nie gesehen. Lena muss ihn in diesem Frühjahr kennen gelernt haben. Aber ...«, Nora holte Luft, »... er ist einer der Gründe, warum ich mir Sorgen mache.«
    »Warum?«
    »Ich glaube, er ist ein Drögeler.«
    »Ein was?«
    »Ein Drogensüchtiger. Als Lena angerufen hat, wegen des Bildes, hat sie solche Andeutungen gemacht. Sehen Sie, Lena ist ... war bisher nicht drogensüchtig. Sie hat Drogen genommen, ja, aber nicht regelmäßig. Ich fürchte, dass sie unter seinem Einfluss ... Und das wäre wirklich schlimm.«
    »Ja.« Ich steckte die Fotos ein.
    »Und falls Sie sie nicht ... Ich meine, falls Sie keinen Erfolg haben, war es einen Versuch wert. Rufen Sie mich an, sobald Sie etwas herausfinden, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.«
    Ich versprach es. Sie gab mir ihre Telefonnummer und winkte dem Kellner, um die Rechnung zu bestellen.
    Ich schaute noch einmal auf den See hinaus, der inzwischen tiefschwarz und endlos aussah, fast wie ein Meer. Weit entfernt blinkten die Lichter einiger dümpelnder Boote. Ein bisschen bedauerte ich, dass ich Recht behalten und der Abend mit einem neuen Auftrag geendet hatte.
    »Gehen wir?«, fragte Nora.

III

    »Guber«, sagte Cordula Deistermann, »ich hasse diesen Typen.« Sie stand im Hausflur und betrachtete grimmig ein Hochglanzflugblatt, auf dessen Vorderseite das farbige Foto eines glatzköpfigen Mannes mit überlegenem Grinsen prangte.
    Ich stellte meine Reisetasche ab und fischte das gleiche Flugblatt aus dem Briefkasten. Gottfried Guber trat mit seiner Partei Demokratische Alternative Deutschland bei der bevorstehenden Landtagswahl an. Die DAD war erst wenige Monate alt und Guber nicht nur Parteichef, sondern auch ein Synonym für das Parteiprogramm: smart, bürgerlich und unverfroren die dumpfesten Stimmungen ausnutzend. Mit seinen Recht-und-Ordnung-Parolen, den Warnungen vor angeblicher Überfremdung und gezielten Provokationen gegen das, was er System nannte, hatte er es zum Liebling der Medien und Schrecken der Altparteien gebracht. Sein Erfolgsrezept bestand darin, dass er nicht mit Schnauzbart, Lodenjacke und wutverzerrtem Gesicht herumlief, sondern sich stets höflich, intellektuell und modisch aufgeschlossen gab. So äußerte er mit einem freundlichen Lächeln die übelsten Gedanken, räkelte sich dabei in seinem maßgeschneiderten italienischen Anzug und beruhigte das bürgerliche Publikum mit der unterschwelligen Botschaft, dass ein rechter Rattenfänger zweifellos anders aussehen und reden würde als er. In Münster klappte das besonders gut, denn Guber war Münsteraner.
    »Dagegen muss man doch was unternehmen.« Cordula Deistermann schaute mich an, als wollte sie mich zu einer Spontandemo vor der Kreuzkirche auffordern.
    »Wir leben in einer Demokratie«, erwiderte ich matt. »Guber sammelt nur auf, was an rechten Stimmungen ohnehin vorhanden ist.«
    »Und damit willst du dich abfinden?«
    Ich zuckte die Achseln. »Die Vorstellung, dass der Mensch von Natur aus ein nettes Wesen ist, lässt sich wissenschaftlich nicht halten.«
    »Also gehen wir sehenden Auges in den Abgrund?« Meine Nachbarin zerknüllte das Flugblatt in der Hand und stapfte wütend die Treppe hinauf. Als verbeamtete Studienrätin hatte sie sich das Pathos ihrer linksradikalen Vergangenheit bewahrt. Sie war in der Friedensbewegung aktiv, hatte während des Irak-Krieges eine Regenbogenflagge mit der Aufschrift Pace aus dem Fenster gehängt und wachte wie ein Luchs darüber, dass alle im Haus die Regeln der Mülltrennung beachteten.
    Ich nahm meine Reisetasche vom Boden und folgte ihr. Vor etwa drei Jahren war Cordula Deistermann mit ihrer halbwüchsigen Tochter in die Wohnung im ersten Stockwerk gezogen, die direkt unter meiner lag. Sie hatte mich zu ihrer Einweihungsparty eingeladen und ich war in einem Anfall von was auch immer sogar hingegangen. Ein paar abendliche Ausflüge zu den Kneipen an der Kreuzkirche später hatten wir unsere Kontakte wieder eingefroren. Wir waren im selben Alter, hatten an der Uni

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