Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
erwähnt.«
Entweder war Henrike Sanddorn tiefer in die RAF-Geschichte verwickelt, als sie zugeben wollte, oder sie hatte tatsächlich Kontakt zu Felizia.
»Felizia scheint bei ihren Recherchen weit in die Szene vorgestoßen zu sein«, sagte ich. »Dass das lebensgefährlich werden kann, wissen Sie selbst.«
»Tun Sie mir einen Gefallen, Herr Wilsberg: Hören Sie auf, nach Felizia zu suchen! Damit würden Sie ihr am meisten helfen.«
»Haben Sie gestern Abend wirklich mit ihr gesprochen?«
Sie zog ihre Geldbörse aus der Tasche und legte ein paar Euromünzen auf den Tisch. »Ich muss weg. Bezahlen Sie für mich mit?«
»Erklären Sie mir, warum ich Felizia nicht suchen soll!«
Sie stand auf. »Glauben Sie mir einfach.«
Ich war seit einer Stunde wieder zu Hause, als es an der Tür klingelte. Über die Sprechanlage erkundigte sich eine Frau, ob ich der Privatdetektiv Wilsberg sei.
»Mein Büro ist für heute geschlossen«, erwiderte ich.
»Es ist dringend, Herr Wilsberg. Bitte machen Sie auf!«
Wer kann einem solchen Satz widerstehen? Ich nicht.
Besonders hilfsbedürftig wirkte die Frau allerdings nicht, als sie vor meiner Wohnungstür erschien, denn sie war in Begleitung eines Mannes, der ebenso wie sie schlichte Businesskleidung trug und jene konzentrierte Entschlossenheit ausstrahlte, die ich von Kriminellen und Polizisten kannte.
Die Frau zückte einen Ausweis. »Kriminalpolizei. Dürfen wir eintreten?«
Ich machte eine einladende Handbewegung.
»Mein Name ist Niemeyer«, sagte die Frau. »Mein Kollege heißt Podzey. Wir sind im Bereich Staatsschutz tätig.«
Wir standen in meinem Büro. Ich sah keinen Anlass, ihnen Sitzgelegenheiten anzubieten.
»Und was kann ich für Sie tun?«
»Wir würden gern mit Ihnen über Peter Fahle reden.«
»Ich kenne keinen Peter Fahle.«
»Stellen Sie sich nicht dumm, Herr Wilsberg!« Das war Podzey. Aber nicht grob, wie die Polizisten alten Schlages, eher wie ein Kreditberater, der weiß, dass sein Kunde keine andere Wahl hat, als den Knebelvertrag zu unterschreiben.
Ich schätzte die beiden auf Anfang dreißig. Während ihrer Ausbildung hatte schon Verhaltenstraining auf dem Stundenplan gestanden.
»Und wir würden das Gespräch am liebsten im Polizeipräsidium führen«, sagte Niemeyer. »Falls Sie nichts dagegen haben.«
»Und falls ich doch etwas dagegen habe?«
»Müssen wir Sie leider festnehmen.«
VI
Frankas Atem roch nach einer Mischung aus Alkohol und Pfefferminzbonbon. Als ich sie angerufen hatte, waren im Hintergrund Stimmen und klirrende Gläser zu hören. Ich sagte ihr, dass ich so gut wie festgenommen sei und anwaltlichen Beistand benötigen würde.
Ihre Antwort umfasste nur drei Worte: »Okay, ich komme.«
Eigentlich hatte ich nichts anderes erwartet. Trotzdem hätte ich sie in dem Moment küssen können. Zumal noch kurz der scharfe Protest einer männlichen Stimme durch den Hörer klang, bevor sie das Gespräch beendete.
Jetzt saßen wir in einem kleinen Besprechungsraum im Polizeipräsidium. Franka trug eine Jeans und eine schwarze Lederjacke über einem hautengen Pullover. Nicht gerade übliche Anwaltskleidung, aber dreiundzwanzig Uhr gehörte auch nicht zu den Kernarbeitszeiten von Rechtsanwälten.
Ich kannte Franka seit vielen Jahren. Sie hatte mal als Assistentin in meinem Detektivbüro gejobbt, später mit Bravour ihr Jurastudium abgeschlossen und arbeitete inzwischen als erfolgreiche Rechtsanwältin mit eigener Praxis, für die ich manchmal den Matula machte. Alles in allem verstanden wir uns so gut, wie sich ein Mann und eine Frau nur verstehen können, die nie miteinander ins Bett gegangen sind.
Ich erzählte die ganze Geschichte. Sie hörte aufmerksam zu und stellte kurze Verständnisfragen. Schließlich sagte sie: »Du solltest eine Aussage machen.«
»Ich verrate meine Klienten nicht.«
»Sie wissen von Fahle. Du verrätst ihn also nicht. Bei Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung leuchten alle roten Lampen auf. Wenn du nicht redest, werden sie dich in Erzwingungshaft nehmen. Es dürfte ihnen nicht schwerfallen, einen Richter zu finden, der das unterschreibt.«
»Ich erzähle ihnen höchstens meine Version der Geschichte.«
»Natürlich, Georg. Erzähl ihnen so viel, wie du willst, und überlass den Rest mir.«
»Na gut«, sagte ich. »Bringen wir es hinter uns.«
Niemeyer und Podzey warteten nebenan. Sie sahen kein bisschen müder oder abgespannter aus als vor zwei Stunden. Dabei war ich mir sicher, dass
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