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Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Zehen. Ich versicherte, dass es ihnen schon viel besser gehen würde und ich sie nicht verlieren wolle. Der Chef der Weißkittel entschied gönnerhaft, von Amputationen vorläufig Abstand zu nehmen. Allerdings könne es immer noch zu Komplikationen kommen, dann müsse ich sofort ein Krankenhaus aufsuchen. Und ein Gefühl der Taubheit werde wohl zurückbleiben. In Zukunft solle ich mehr acht auf meine Gesundheit geben, obwohl ihm klar sei, dass das bei meiner Lebensweise schwierig werde.
    Ich nickte zerknirscht.
    Eine Stunde später holte mich Niemeyer ab. Sie hatte eine Tasche mit sauberer Kleidung aus meiner Wohnung mitgebracht, auch meinen Kulturbeutel und einen Rasierer. Nach einer Viertelstunde hatte ich mich wieder in ein Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft verwandelt, was meinem Bettnachbarn ein überraschtes Stirnrunzeln abrang.
    »Die Kleiderkammer des Roten Kreuzes ist auch nicht mehr das, was sie früher mal war«, sagte ich ihm zum Abschied, als ich erhobenen Hauptes und von Niemeyer untergehakt aus dem Zimmer humpelte.

    Die Straßen waren inzwischen vom Schnee geräumt, dafür türmten sich auf den Bürgersteigen graubraune Haufen. Niemeyer fuhr auf der Warendorfer Straße stadtauswärts.
    »Vielen Dank für alles«, sagte ich.
    »Keine Ursache«, gab sie knapp zurück.
    »Fällt Ihre Abwesenheit im Büro nicht auf?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Podzey könnte misstrauisch werden«, sagte ich.
    »Podzey und ich arbeiten nicht mehr zusammen.«
    »Nein?«
    »Dickbier hat dafür gesorgt, dass Podzey befördert und in eine andere Abteilung versetzt wird. Bis zum Arbeitsantritt auf der neuen Position feiert er Überstunden ab.« Sie schaute kurz zu mir herüber. »Ich bin froh, dass er weg ist. Ich konnte ihn nie leiden.«
    Ich lächelte. »Sie werden mir immer sympathischer.«
    »Machen Sie sich keine Hoffnungen! Ich tue nur meinen Job.«
    »Ich mache mir nie Hoffnungen. Dann kann ich auch nicht enttäuscht werden.«
    Niemeyer schwieg und ich schaute auf die schneebedeckte, pfannkuchenflache Landschaft.
    Hinter Telgte bog sie nach Norden ab und folgte der B 51 in Richtung Osnabrück.
    »Wo fahren wir eigentlich hin?«, fragte ich. »Jetzt können Sie es mir doch sagen.«
    »Zu einem abgelegenen Haus im Teutoburger Wald, nicht weit von Bad Iburg entfernt. Dort werden Sie die nächsten Tage verbringen.«
    »Ohne Ausgang?«
    »Denken Sie nicht einmal daran! Zwei Beamten sorgen rund um die Uhr dafür, dass Sie im Haus bleiben. Wir haben genug von Ihren Eskapaden.«
    »Sie müssen nicht schroff zu mir sein, nur weil Ihnen meine Sympathiebekundung peinlich ist.«
    Sie schüttelte amüsiert den Kopf. »Das ist eine Masche von Ihnen, alles persönlich zu nehmen. Glauben Sie mir, ich habe im Moment eine Menge Probleme am Hals. Da mache ich mir sicher keine Gedanken darüber, wie ich bei Ihnen ankomme.«
    »Schade.«
    Der Passat schnurrte. »Und wie soll’s weitergehen?«, fragte ich. »Ich habe keine Lust, mich ewig zu verstecken.«
    »Das werden wir sehen.«
    »Wann?«
    »Wenn es so weit ist.«

    Das schlichte, gelb angestrichene Haus lag fernab jeglicher Zivilisation. Der einzige Weg, der zu ihm hinführte, war nicht mehr als eine schmale, unbefestigte Waldpiste, auf der wir einige Male fast stecken geblieben wären.
    Auf dem Stellplatz vor dem Haus stand bereits ein anderer Wagen. Niemeyer brachte mich ins Innere und stellte mir die beiden Männer vor, die uns in der Küche erwarteten: »Herr Lütkens und Herr Theißing übernehmen die Tagschicht.«
    Lütkens war rund dreißig Jahre älter als Theißing, der vermutlich frisch von der Polizeischule kam.
    Ich schüttelte ihre Hände. »Tut mir leid, dass Sie mit mir die Zeit totschlagen müssen.«
    »Es gibt noch einen Gast«, sagte Niemeyer.
    Ich schaute sie fragend an.
    »Gehen Sie nach oben, erste Tür rechts!«
    Ich kletterte die Treppe hinauf und klopfte an die Tür. Eine Frauenstimme rief: »Ja!«
    Ich öffnete die Tür. Im Zimmer war es mollig warm. Trotzdem lag die Frau im Bett unter einer dicken Daunendecke.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte ich.
    »Besser«, sagte Regina Fuchs.

XVII
    »Mein Vater war Richter«, sagte Regina Fuchs. »Von ihm habe ich den Gerechtigkeitssinn geerbt. Es hat mir imponiert, dass er immer genau wusste, was richtig und was falsch ist, wen er hart bestrafen musste und bei wem er Gnade walten lassen konnte. Ich wollte so sein wie er. Ich wollte die Welt besser und gerechter machen. Ich habe zehn Semester Jura studiert, bis kurz

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