Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
nett. Irgendwie erschreckend taktlos, wie?»
Der Uniformierte lachte.
«Ich glaube, wenn man erst tot ist, macht einem das nichts mehr aus, Sir.»
«Wie wahr, wie wahr! Natürlich, man ist ja tot, und es kann einem herzlich egal sein. Ein bißchen unangenehm für die Verwandtschaft könnte es schon sein, wenn sie erfährt, was man für ein böser Bube war. Es muß doch Spaß machen, seine Verwandtschaft zu ärgern. Tue ich selbst auch immer. Na ja, also, wovon sprachen wir? Ach so, ja, von dem Testament. (Ich bin immer so zerstreut.) Wessen Testament, wollten Sie wissen? Also, es handelt sich um einen alten schottischen Herrn namens Joseph Alexander Ferguson, der in Glasgow gestorben ist – Sie wissen ja, in Glasgow, wo die Leute so einen starken Akzent haben, daß sogar Schotten in Ohnmacht fallen, wenn sie ihn hören. Im April ist er gestorben – im April dieses Jahres. Wenn es Ihnen keine allzu große Mühe macht, hätte ich gern für einen Shilling Joseph Alexander Ferguson.»
Der Beamte versicherte ihm, daß er das haben könne, ermahnte ihn aber zugleich, daß er sich den Inhalt merken müsse und sich auf keinen Fall Notizen machen dürfe. So belehrt wurde Wimsey in eine entlegene Ecke geführt, wo man ihm kurz darauf das Testament auf den Tisch legte.
Es war ein lobenswert kurzes Dokument, eigenhändig verfaßt und datiert vom letzten Januar. Nach den üblichen Einleitungsfloskeln und ein paar kleinen Vermächtnissen persönlicher Gegenstände an Freunde ging es dann etwa in diesem Sinne weiter:
«… und verfüge ich, daß nach meinem Tode mein ganzer Verdauungstrakt vollständig mitsamt Inhalt aus meinem Körper entfernt werde, beginnend mit der Speiseröhre und endend mit der Ausscheidungsöffnung. Alsdann möge er an beiden Enden mit einem geeigneten Material fest zugebunden, mit einem geeigneten Konservierungsmittel in ein Glasgefäß getan und meinem Großneffen Thomas Macpherson, wohnhaft in Gatehouse-of-Fleet in der Grafschaft Kirkcudbrightshire, Stone Cottage, zur Zeit Medizinstudent in Aberdeen, übergeben werden. Und ich vermache ihm diese meine Verdauungsorgane mitsamt Inhalt zum Zwecke seines Studiums und seiner Bildung, nachdem sie mir fünfundneunzig Jahre lang stets einwandfrei gedient haben, damit er begreift, daß keine Reichtümer dieser Welt dem Reichtum einer guten Verdauung vergleichbar sind. Dieses Vermächtnis verbinde ich mit dem Wunsch, daß er in Ausübung seines medizinischen Berufs seine ganze Kraft dafür einsetzen möge, seinen Patienten den Segen einer unbeeinträchtigten guten Verdauung zu erhalten, ohne ihre Mägen zum Wohle seines eigenen Geldbeutels unnötig mit Medikamenten vollzustopfen, sondern indem er sie zu einer vernünftigen und maßvollen Lebensweise anhält, die der allmächtigen Vorsehung wohlgefällig ist.»
Nach diesem bemerkenswerten Passus wurde dann Robert Ferguson zum Resterben eingesetzt, ohne daß die vererbten Besitztümer eigens aufgeführt wurden, und eine Anwaltskanzlei in Glasgow wurde zum Testamentsvollstrecker bestimmt.
Wimsey ließ sich dieses Vermächtnis eine Weile durch den Kopf gehen. Aus den Formulierungen schloß er, daß der alte Mr. Ferguson sein Testament ohne juristischen Beistand aufgesetzt hatte, und das freute ihn, denn dadurch bot die Wortwahl ihm wertvolle Hinweise auf den Gemütszustand und die Absichten des Erblassers. Im Geiste notierte er sich vor allem drei Punkte: Es war vom «Verdauungstrakt mitsamt Inhalt» die Rede, und zwar zweimal und mit besonderem Nachdruck. Dieser sollte oben und unten zugebunden werden, und das ganze Vermächtnis war verbunden mit dem Wunsch, daß keine finanziellen Notwendigkeiten den Erben in der gewissenhaften Ausübung seines Berufs beeinflussen möchten. Wimsey mußte leise lachen. Großonkel Joseph begann ihm Spaß zu machen. Er stand auf, nahm Hut, Handschuhe und Stock und begab sich mit dem Testament in der Hand zu dem Aufsichtsbeamten, um es ihm zurückzugeben. Dieser befand sich gerade im Gespräch mit einem jungen Mann, der sich über irgend etwas zu beschweren schien.
«Bedaure, Sir», sagte der Beamte, «aber ich glaube nicht, daß der andere Herr sehr lange brauchen wird. Ah!» Er hatte sich umgedreht und Wimsey erspäht. «Da ist er ja schon.»
Der junge Mann, dem die rötlichen Haare, lange Nase und ausdruckslosen Augen das Aussehen eines heruntergekommenen Fuchses gaben, begrüßte Wimsey mit einem feindseligen Blick.
«Was gibt’s? Wer wünscht etwas von mir?» fragte
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