Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
es genau zu sagen. Sie scheinen sich ja außerordentlich für Großonkel Joseph zu interessieren.»
«Ich dachte nur, ich könnte bei der Gelegenheit mal einen Bekannten aufsuchen, der etwas mit Schiffbau zu tun hat, und sehen, ob er etwas über den Verbleib des Geldes weiß.»
«Wenn Sie das tun, bekommen Sie von Vetter Robert einen Orden. Aber wenn Sie schon wirklich Ihre Detektivkünste diesem Problem widmen wollen, sollten Sie sich am besten mal die Wohnung in Glasgow ansehen.»
«Richtig – wie war noch die Adresse?»
Macpherson nannte sie ihm.
«Ich merke es mir mal vor, und wenn mir etwas einfällt, setze ich mich mit Vetter Robert in Verbindung. Wo findet man ihn?»
«In einer Londoner Anwaltskanzlei. Crosbie & Plump, irgendwo in Bloomsbury. Robert wollte nämlich Strafverteidiger in Schottland werden, hat aber sein Studium irgendwie verpfuscht, und da haben sie ihn zu den Engländern abgeschoben. Sein Vater ist vor ein paar Jahren gestorben – er war Notar in Edinburgh –, und ich glaube, Robert ist seitdem ein bißchen vor die Wauwaus gegangen. Ist in irgend so eine Clique geraten und hat sein Geld verplempert.»
«Schrecklich. Schotten sollte man nie von zu Hause weglassen. Was wollen Sie eigentlich mit Großonkel Joseph machen?»
«Ach, ich weiß noch nicht. Eine Weile werde ich ihn wohl behalten. Ich mochte den alten Knaben und will ihn nicht einfach wegwerfen. Er würde sich übrigens auch ganz gut in meinem Konsultationszimmer machen, wenn ich erst eine eigene Praxis aufmache. Dann werde ich immer sagen, das hätte mir ein dankbarer Patient vermacht, an dem ich eine wunderbare Operation vorgenommen habe.»
«Gute Idee. Magenverpflanzung. Wunder der Chirurgie, noch nie versucht worden. Die Kranken werden scharenweise zu Ihnen strömen.»
«Guter alter Großonkel – vielleicht ist er mir doch noch mal ein Vermögen wert.»
«Kann schon sein. Sie haben nicht zufällig ein Foto von ihm?»
«Ein Foto?» Macpherson machte wieder große Augen.
«Großonkel Joseph scheint Ihre neue Leidenschaft zu werden. Aber ich glaube nicht, daß der alte Herr sich in den letzten dreißig Jahren noch irgendwann einmal hat fotografieren lassen. Damals wurde eine Aufnahme gemacht – als er sich zur Ruhe setzte. Die dürfte wahrscheinlich Robert haben.»
«In Orrrdnung», sagte Wimsey in der Landessprache.
Wimsey verließ Schottland noch am selben Abend, und während er durch die Nacht nach London fuhr, dachte er angestrengt nach. Das Steuern besorgte er ganz automatisch, nur hin und wieder mußte er den grün schimmernden Augen eines Karnickels ausweichen, das vom Straßenrand angehoppelt kam und wie gebannt im grellen Licht seiner Scheinwerfer sitzen blieb. Er pflegte immer zu sagen, daß sein Gehirn besser funktionierte, wenn seine unmittelbare Aufmerksamkeit von den Vorgängen auf der Straße in Anspruch genommen war.
Am Montagmorgen sah man ihn in der Stadt. Seine Geschäfte waren erledigt, und fertig nachgedacht hatte er auch. Ein Besuch bei seinem Freund aus der Schiffbauindustrie hatte ihm ein paar Informationen über Großonkel Josephs Geld sowie ein Foto von ihm eingebracht, beschafft vom Londoner Repräsentanten des Glasgower Unternehmens, dem er angehört hatte. Der alte Ferguson schien zu seiner Zeit ein bedeutender Mann gewesen zu sein. Das Porträt zeigte ein feines, störrisches altes Gesicht mit breitem Mund und hochstehenden Wangenknochen – eines jener Gesichter, die sich im Laufe eines Lebens kaum verändern. Wimsey besah es sich zufrieden, dann steckte er es in die Jackentasche und begab sich schnurstracks zum Somerset-Haus.
Dort lief er schüchtern in der Testamentsabteilung herum, bis ein uniformierter Bediensteter sich seiner erbarmte und nach seinem Begehr fragte.
«Oh, danke», sagte Wimsey überschwenglich, «vielen Dank. Solche Häuser machen mich immer nervös. Alle diese großen Tische und so, wissen Sie, das wirkt so geschäftsmäßig und einschüchternd. Also, ich wollte nur mal einen Blick in ein Testament werfen. Wie ich höre, kann man sich für einen Shilling jedermanns Testament ansehen. Stimmt das wirklich?»
«Ja, Sir, gewiß. Ist es ein bestimmtes Testament?»
«Ach ja, natürlich – wie dumm von mir. Ja. Komisch, nicht, daß jeder Fremde einfach herkommen und seine Nase in die Privatangelegenheiten eines Menschen stecken kann, wenn er tot ist – sehen, wieviel man im Leben so zusammengerafft hat und was man für Freundinnen hatte und so. Ach ja. Gar nicht
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