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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Umschlag.
    Der Brief war chiffriert und lautete nach der Entschlüsselung:
    «Nr. 21 – außerordentliche Generalversammlung heute abend 23.30 Uhr bei Nummer Eins. Fernbleiben auf eigene Gefahr. Kennwort: ENDSPURT.»
    Rogers stand eine Zeitlang nachdenklich da. Dann begab er sich zu einem Zimmer im rückwärtigen Teil des Hauses, in dem sich ein in die Wand eingebauter hoher Tresor befand. Er drehte das Kombinationsschloß und trat in den Tresor, dessen Abmessungen schon eher zu einer kleinen Stahlkammer paßten. Er zog eine Schublade mit der Aufschrift «Korrespondenz» heraus und legte das soeben erhaltene Schreiben zu den übrigen Papieren.
    Sekunden später kam er wieder heraus, verstellte das Kombinationsschloß und ging in sein Zimmer zurück.
    «Endspurt», sagte er. «Ja – das glaube ich auch.» Er wollte schon die Hand nach dem Telefon ausstrecken – doch dann schien er es sich anders zu überlegen. Er ging die Treppe hinauf in eine Dachstube und kletterte von dort auf den Speicher. Hier kraxelte er zwischen dem Dachgebälk herum bis in die entlegenste Ecke, wo er vorsichtig auf einen Knopf im Holz drückte. Eine Geheimtür sprang auf, und er zwängte sich hindurch und befand sich auf dem Speicher des Nachbarhauses. Bei seinem Eintreten begrüßte ihn ein leises Gurren. Unter dem Oberlicht standen drei Käfige mit je einer Brieftaube darin.
    Vorsichtig spähte er aus dem Dachfenster, durch das man aber nur auf die hohe, kahle Rückwand irgendeiner Fabrik schaute. Niemand befand sich auf dem düsteren kleinen Hof darunter, und ein Fenster war weit und breit nicht zu sehen. Er zog den Kopf wieder ein, entnahm seinem Notizbuch einen dünnen Zettel und kritzelte ein paar Buchstaben und Zahlen darauf. Dann ging er zum nächsten Käfig, nahm die Taube heraus und befestigte die Botschaft an ihrem Flügel. Behutsam setzte er den Vogel auf das Fenstersims. Dieser zögerte kurz, trat von einem rosa Fuß auf den andern, breitete dann die Flügel aus und war auf und davon. Rogers sah ihm nach, wie er sich in den schon düster werdenden Himmel über dem Fabrikdach schwang und in der Ferne verschwand.
    Er schaute auf die Uhr und ging wieder nach unten. Eine Stunde später ließ er die zweite Taube fliegen, und noch eine Stunde später auch die dritte. Dann setzte er sich hin und wartete.
    Um halb zehn stieg er wieder zu der Dachstube hinauf. Es war schon dunkel, aber ein paar frostige Sterne blinkten am Himmel, und ein kalter Luftstrom wehte durchs offene Fenster herein. Er sah einen blassen Schimmer auf dem Boden und faßte danach. Es fühlte sich warm und fedrig an. Die Antwort war da.
    Er tastete das weiche Gefieder ab und fand die Botschaft. Bevor er sie jedoch las, fütterte er die Taube und setzte sie in einen der Käfige. Diesen wollte er gerade verschließen, da hielt er inne.
    «Wenn mir etwas zustößt, brauchst du ja deswegen nicht zu verhungern, mein Kleines», sagte er.
    Er drückte das Fenster ein Stückchen weiter auf und ging wieder hinunter. Der Zettel in seiner Hand trug nur die beiden Buchstaben: «O.K.» Sie schienen in großer Eile geschrieben worden zu sein, denn er bemerkte einen länglichen Tintenklecks in der oberen linken Ecke. Dies nahm er schmunzelnd zur Kenntnis, dann warf er den Zettel ins Feuer, ging in die Küche und bereitete sich ein kräftiges Mahl aus Eiern und Corned Beef zu, wofür er eine frische Dose öffnete. Er aß kein Brot dazu, obwohl auf dem Regal gleich neben ihm ein ganzer Laib lag, und trank Wasser aus der Leitung dazu, das er jedoch erst eine ganze Weile laufen ließ, bevor er davon zu trinken wagte, und auch dann wischte er zuerst noch sorgfältig den Hahn innen und außen ab. Nachdem er fertig gegessen hatte, nahm er aus einer verschließbaren Schublade einen Revolver, prüfte aufmerksam den Mechanismus, ob er auch richtig funktionierte, und lud ihn mit frischen Patronen aus einer noch ungeöffneten Packung. Dann setzte er sich wieder hin und wartete.
    Um Viertel vor elf erhob er sich und ging auf die Straße. Er ging mit schnellen Schritten, immer in sicherer Entfernung von den Häusermauern, bis er auf eine gut beleuchtete Verkehrsstraße kam. Dort stieg er in einen Omnibus und sicherte sich den Eckplatz neben dem Schaffner, von wo er jeden, der ein- oder ausstieg, sehen konnte. Nach mehrmaligem Umsteigen erreichte er ein wohlanständiges Wohnviertel in Hampstead. Dort stieg er aus und begab sich, immer noch in vorsichtigem Abstand von den Häusern, zur Heide

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