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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sich die große Straße nach Norden als ein flaches, stahlgraues Band dahin – einer Rennbahn gleich, ohne Hindernisse, Hecken, Straßeneinmündungen und Verkehr. Gewiß, sie führt nirgendwohin im besonderen; aber schließlich ist doch ein Wirtshaus so ziemlich wie das andere.
    Die Straße jagte unter ihnen zurück, Meile um Meile. Die scharfe Rechtskurve bei Baidock und die unübersichtlichen Ecken in Biggleswade mit ihrem Schilderwald zwangen zu einer vorübergehenden Tempoverminderung, aber sie brachten den Verfolger nicht näher. Mit Vollgas, brüllender Hupe und donnerndem Auspuff ging es durch Tempsford, dann kreischend wie ein Orkan am Posten des Royal Automobile Club vorbei, wo die Straße von Bedford einmündet. Der NortonFahrer warf erneut einen Blick nach hinten; der Scott-Ritter drückte von neuem wütend auf die Hupe. Flach wie ein Schachbrett drehten sich die von Gräben durchzogenen Felder um den Horizont.
    Der Konstabler von Eaton Socon war durchaus kein eingefleischter Motorfeind. Er war sogar eben erst von seinem Fahrrad gestiegen, um dem Mann von der Automobile Association, der an der Kreuzung Dienst tat, guten Tag zu sagen. Aber er war gerecht und gottesfürchtig. Der Anblick zweier Irrer, die da mit siebzig Meilen pro Stunde in seinen Bezirk gerast kamen, war mehr, als man von ihm zu dulden erwarten konnte – zumal gerade in diesem Augenblick der örtliche Friedensrichter in einem Einspänner vorbeifuhr. Also trat er mitten auf die Straße und breitete gebieterisch die Arme aus. Der Norton-Fahrer hielt Umschau, sah die Straße jenseits des Hindernisses von dem Einspänner und einer Zugmaschine blockiert und schickte sich in das Unvermeidliche. Er warf den Gashebel zurück, trat auf die quietschenden Bremsen und kam rutschend zum Stehen. Die Scott hatte genug Vorwarnzeit gehabt und näherte sich sittsam und leise wie ein schnurrendes Kätzchen.
    «Also», sagte der Konstabler in tadelndem Ton, «wissen Sie wirklich nichts Besseres als hier mit hundert Sachen in den Ort einzufahren ? Sie sind doch hier nicht auf der Rennbahn, wie? So was hab ich also mein Lebtag noch nicht gesehen. Ihre Namen und Papiere, wenn’s gefällig ist. Sie können bezeugen, Mr. Nadgett, daß die beiden über achtzig gefahren sind.»
    Der A. A.-Mann warf rasch einen Blick auf die beiden Lenkstangen, um sich zu vergewissern, daß die schwarzen Schafe nicht von seiner Herde waren, und sagte im Ton unparteiischer Genauigkeit: «Etwa sechsundsechzigeinhalb Meilen, würde ich sagen, wenn ich vor Gericht danach gefragt würde.»
    «Hör mal, du Komiker», wandte der Scott-Fahrer sich entrüstet an den Norton-Fahrer, «kannst du mir in drei Teufels Namen mal sagen, warum du nicht angehalten hast, wie du mich hast hupen hören? Dreißig Meilen bin ich dir mit deiner blöden Tasche nachgefahren. Kannst du dich nicht selber um dein verdammtes Gepäck kümmern?»
    Er zeigte auf eine kleine, kompakte Reisetasche, die mit Schnur an seinem Gepäckträger festgebunden war.
    «Das da?» versetzte der Norton-Fahrer verächtlich. «Die gehört mir nicht. Hab sie noch nie im Leben gesehen.»
    Dieses unverfrorene Leugnen verschlug dem Scott-Fahrer zunächst einmal die Sprache.
    «Das ist ja wohl –» stieß er hervor. «Du Vollidiot, ich hab sie doch bei dir runterfallen sehen, kurz hinter Hatfield. Ich hab gerufen und gehupt wie verrückt. Aber anscheinend macht dein obengesteuertes Ding da so einen Krach, daß du nichts anderes mehr hörst. Ich mache mir extra die Mühe, deinen Krempel aufzuheben und dir damit nachzufahren, und dir fällt nichts Gescheiteres ein, als loszurasen wie ein Irrer und mich in eine Polizeifalle zu locken. Das ist der Dank, das hat man davon, wenn man Verrückten auf der Straße einen Gefallen tun will.»
    «Das tut alles nichts zur Sache», sagte der Polizist. «Bitte Ihren Führerschein, Sir.»
    «Hier», sagte der Scott-Fahrer wütend, indem er seine Brieftasche herausriß. «Mein Name ist Walters, und das war das letzte Mal, daß ich versucht habe, jemandem einen Gefallen zu tun, darauf können Sie Gift nehmen.»
    «Walters», wiederholte der Konstabler, während er die Angaben gewissenhaft in sein Notizbuch eintrug, «und Simpkins. Sie werden zu gegebener Zeit Ihre Vorladungen bekommen. Dürfte ungefähr in einer Woche sein, Montag oder so, könnte ich mir denken.»
    «Wieder zwei Pfund zum Teufel», knurrte Simpkins, mit dem Gaszug spielend. «Aber da kann man wohl nichts machen.»
    «Zwei Pfund?»

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