Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
schnaubte der Konstabler. «Sie haben Vorstellungen! Rücksichtslose Raserei und Gefährdung der Allgemeinheit war das hier. Sie können von Glück reden, wenn Sie jeder mit fünf Pfund davonkommen.»
«Ach, zum Teufel!» erwiderte der andere, wobei er wütend auf den Kickstarter trat. Brüllend erwachte der Motor, aber Mr. Walters schwenkte geschickt seine Maschine der Norton in den Weg.
«Von wegen!» sagte er gehässig. «Du nimmst gefälligst deine schmierige Tasche mit, verstanden? Ich hab nämlich gesehen, wie sie dir runtergefallen ist.»
«Bitte keine Kraftausdrücke», begann der Konstabler, als ihm plötzlich auffiel, wie der A. A.-Mann die Tasche ganz merkwürdig anschaute und ihm Zeichen machte.
«Hoppla», sagte er. «Was ist denn mit dieser – sagten Sie ‹schmierige Tasche›? Sie, diese Tasche möchte ich mir gern mal ansehen, Sir, wenn Sie nichts dagegen haben.»
«Mich geht sie ja nichts an», sagte Mr. Walters, indem er ihm die Tasche reichte. «Ich hab sie runterfallen sehen und –» Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken, und sein Blick richtete sich starr auf eine Ecke der Tasche, wo etwas Feuchtes, Schreckliches, dunkel heraussickerte.
«Ist Ihnen die Ecke da aufgefallen, als Sie die Tasche aufhoben?» fragte der Konstabler. Er tupfte vorsichtig auf die Ecke und besah sich seinen Finger.
«Ich weiß nicht – nein – nicht besonders», stammelte Walters.
«Mir ist überhaupt nichts aufgefallen. Ich – ich denke, daß sie aufgeplatzt ist, als sie auf die Straße fiel.»
Der Konstabler zog stumm die geplatzte Naht auseinander, dann drehte er sich hastig um und scheuchte ein paar junge Frauen fort, die neugierig stehengeblieben waren. Der A. A.Mann sah jetzt näher hin und zuckte unter einem Anfall von Übelkeit zurück.
«O Gott!» stöhnte er. «Es ist lockig – von einer Frau.»
«Ich habe nichts damit zu tun!» kreischte Simpkins. «Ich schwöre beim Himmel, das Ding gehört mir nicht. Dieser Kerl will mir das nur anhängen.»
«Ich?» keuchte Walters. «Ich? Jetzt hör mal, du Dreckskerl, du Mörder, ich sag dir, ich hab’s von deinem Gepäckträger runterfallen sehen. Kein Wunder, daß du abgehauen bist, wie du mich hast kommen sehen. Verhaften Sie ihn, Konstabler. Sperren Sie ihn ein –»
«Hallo, Konstabler!» sagte eine Stimme hinter ihnen. «Was gibt’s hier so Aufregendes? Sie haben nicht zufällig einen Motorradfahrer mit einer kleinen Reisetasche auf dem Gepäckträger vorbeifahren sehen, wie?»
Ein großer offener Wagen mit unglaublich langer Motorhaube war lautlos wie ein Schatten herangefahren. Die ganze aufgeregte Gesellschaft drehte sich nach dem Fahrer um.
«Ist sie das vielleicht, Sir?»
Der Autofahrer nahm seine Schutzbrille ab, und darunter kamen eine lange, schmale Nase und ein Paar ziemlich zynisch dreinblickender grauer Augen zum Vorschein.
«Sieht fast so –» begann er, da fiel sein Blick auf den grausigen Inhalt, der aus einer Ecke herausschaute. «Um Gottes willen», entfuhr es ihm. «Was ist denn das?»
«Das möchten wir auch gern wissen, Sir», sagte der Konstabler grimmig.
«Hm», machte der Autofahrer, «ich scheine mir einen ungemein günstigen Moment ausgesucht zu haben, um mich nach meiner Tasche zu erkundigen. Wie taktlos. Jetzt zu sagen, daß es nicht meine ist, wäre leicht, allerdings nicht sehr überzeugend. Sie gehört mir natürlich wirklich nicht, und ich darf sagen, wenn sie mir gehörte, hätte ich es sicher nicht eilig gehabt, ihr nachzufahren.»
Der Konstabler kratzte sich am Kopf.
«Diese beiden Herren –» begann er.
Beide Motorradfahrer begannen gleichzeitig, temperamentvoll ihre Zuständigkeit zu bestreiten. Inzwischen hatte sich ein kleiner Menschenauflauf gebildet, den der A. A.-Mann hilfsbereit zu zerstreuen versuchte.
«Sie müssen alle mit mir aufs Revier kommen», erklärte der geplagte Konstabler. «Wir können hier nicht herumstehen und den Verkehr aufhalten. Und bitte keine Tricks. Sie beide werden Ihre Motorräder schieben, und ich fahre bei Ihnen im Wagen mit, Sir.»
«Und wenn ich nun Gas gebe und Sie entführe?» entgegnete der Autofahrer grinsend. «Was machen Sie dann? He, Sie», wandte er sich an den A. A.-Mann, «werden Sie mit so einem Ding fertig?»
«Darauf können Sie sich verlassen», antwortete der Straßenwachtmann, wobei sein Blick verliebt über den langen, geschwungenen Auspuff und das schnittige Profil des Wagens glitt.
«Schön. Dann steigen Sie ein. Sie, Konstabler, können
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