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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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von Mr. Mortimer geliehene Gespann handelte. Er zügelte Polly Flinders, so gut es ging, und blieb in respektvollem Abstand am Rande der Versammlung stehen, um zuzusehen, wie der Sarg vom Leichenwagen gehoben und zum Portal getragen wurde, wo Mr. Hancock ihn im vollen Ornat, begleitet von einem Rauchfaßträger und zwei Fackelträgern, in Empfang nahm. Die Wirkung wurde ein wenig durch den Regen beeinträchtigt, der die Fackeln ausgelöscht hatte, doch die Dorfbevölkerung schien das Schauspiel in vollen Zügen zu genießen. Mitfühlende Kommentare galten einem schwergewichtigen Mann in sehr korrektem schwarzen Anzug und Zylinder, in dessen Begleitung sich ein Frau in Pelz und überaus schicker Trauertracht befand. Es war Haviland Burdock vom Seidenstrumpf, der jüngere Sohn des Verstorbenen. Nach dem Sarg wurden unzählige weiße Kränze heruntergereicht und jedesmal mit beifälliger Bewunderung kommentiert. Der Kirchenchor stimmte etwas holprig ein Lied an, und die Prozession zog in die Kirche ein. Polly Flinders schüttelte energisch den Kopf, und Wimsey, der das als Signal zum Aufbruch verstand, setzte seinen Hut wieder auf und machte sich gemächlich auf den Weg nach Frimpton.
    Er folgte der Hauptstraße, die sich etwa vier Meilen weit durch eine schöne bewaldete Landschaft wand, bis sie auf die Allmende von Frimpton stieß, um die sie einen weiten Bogen schlug, um endlich ins Dorf einzumünden. Wimsey zögerte kurz, weil es schon dunkel wurde und der Weg ihm ebenso fremd war wie sein Reittier. Es schien aber ein gut markierter Reitweg über die Allmende zu führen, und so entschloß er sich dann doch, diesen zu nehmen. Polly Flinders schien den Weg ganz gut zu kennen, denn sie fiel ohne Zögern in einen leichten Galopp. Nach etwa anderthalb Meilen kamen sie ohne Zwischenfälle wieder auf die Hauptstraße. Eine Wegegabel stiftete hier kurz Verwirrung, aber Taschenlampe und Wegweiser lösten das Problem; weitere zehn Minuten brachten den Reisenden ans Ziel.
    Major Lumsden war ein großer, fröhlicher Mann – nicht minder fröhlich durch den Verlust eines Beins im Krieg. Er hatte eine große, fröhliche Frau, ein großes, fröhliches Haus und eine große, fröhliche Familie. Wimsey fand sich bald vor einem Feuer wieder, das so groß und fröhlich war wie alles übrige in diesem Haus, und plauderte über einem Whisky-Soda mit seinen Gastgebern. Er schilderte mit ungehöriger Lust das Burdock-Begräbnis und erzählte dann die Geschichte mit der Geisterkutsche. Major Lumsden lachte. «Das ist schon eine komische Gegend hier», meinte er. «Und der Polizist ist nicht besser als alle andern. Weißt du noch, Liebes, wie ich mal raus mußte, um auf Pogsons Hof ein Gespenst zur Strecke zu bringen?»
    «O ja!» rief seine Frau begeistert. «Die Mädchen hatten ihren großen Auftritt. Trivett – das ist der hiesige Polizist – kam atemlos hierher und fiel in der Küche in Ohnmacht, und dann saßen sie alle heulend und wehklagend um ihn herum und stärkten ihn mit unserm besten Cognac, während Dan hinging, um der Sache auf den Grund zu gehen.»
    «Und, hast du das Gespenst zur Strecke gebracht?» «Nicht direkt das Gespenst, aber wir haben im leeren Haus ein Paar Stiefel und eine halbe Fleischpastete gefunden und konnten somit alles getrost auf einen Landstreicher schieben. Immerhin muß ich sagen, daß hier wirklich merkwürdige Dinge vor sich gehen. Zum Beispiel voriges Jahr diese Feuer auf der Allmende. Dafür gab’s nie eine Erklärung.»
    «Zigeuner, Dan.»
    «Möglich. Aber keiner hat sie je gesehen. Und die Feuer gingen in den unmöglichsten Situationen an, manchmal im strömenden Regen; und bevor man ihnen auch nur nahekommen konnte, waren sie wieder aus, und nur ein nasser schwarzer Fleck war übrig. Und da ist noch eine Stelle auf der Allmende, die den Tieren nicht geheuer ist – in der Nähe des sogenannten Totenpfahls. Meine Hunde trauen sich nicht in seine Nähe. Komische Viecher. Ich habe dort noch nie etwas gesehen, aber selbst am hellichten Tag scheinen sie etwas gegen diese Stelle zu haben. Die Allmende hat keinen guten Ruf. War früher mal ein beliebter Ort für Straßenräuber.»
    «Hat die Burdock-Kutsche etwas mit Straßenräubern zu tun?»
    «Nein. Die stammt von einem liederlichen, längst verblichenen Burdock, soviel ich weiß. Gehörte zum Höllfeuerclub oder so. Die übliche Geschichte. Die Leute hier glauben natürlich alle daran. Hat auch etwas Gutes. Da bleiben die Dienstboten abends im

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