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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Stehen.
    «Lahmt auf der linken Vorderhand», sagte er im Absteigen.
    «Wenn du dir was gestaucht hast, mein Mädchen, und das vier Meilen von zu Hause, wird Vati sich aber freuen.» Zum erstenmal fiel ihm auf, wie sonderbar einsam diese Straße war. Er war noch nicht einem einzigen Auto begegnet. Ebensogut hätten sie sich in der afrikanischen Wildnis befinden können.
    Er ließ seine Hand forschend am linken Vorderbein hinuntergleiten. Das Pferd stand ganz still, ohne zu zucken oder zu schnauben. Wimsey war ratlos.
    «Wenn wir noch in der guten alten Zeit lebten», sagte er, «würde ich denken, du hast sicher einen Stein mitgenommen. Aber was –»
    Er hob den Huf des Pferdes hoch und untersuchte ihn mit Fingern und Taschenlampe. Seine Diagnose war richtig gewesen. Ein Stahlbolzen, wahrscheinlich von einem vorbeifahrenden Wagen gefallen, hatte sich fest zwischen Hufeisen und Strahl eingeklemmt. Knurrend tastete er nach seinem Taschenmesser. Es war zum Glück noch eines von der guten alten Sorte, die außer Klingen und Korkenziehern auch über eine raffinierte Vorrichtung zum Entfernen von Fremdkörpern aus Pferdehufen verfügte.
    Die Stute stupste ihn zärtlich an, als er sich ans Werk machte. Es war keine leichte Arbeit, denn er mußte sich die Taschenlampe unter den Arm klemmen, um die eine Hand für das Werkzeug und die andere für den Huf frei zu haben. Er fluchte leise ob dieser Schinderei vor sich hin, doch als er einmal den Kopf hob, um die Straße hinunterzusehen, glaubte er plötzlich den Schimmer einer Bewegung wahrzunehmen. Seine Sicht war allerdings behindert, denn an dieser Stelle erhoben sich hohe Bäume beiderseits der Straße, die hier von der Grenze der Allmende an ziemlich steil abfiel. Es war kein Auto; dafür war das Licht zu schwach. Vielleicht ein Fuhrwerk mit abgedunkelter Laterne. Doch es schien sich schnell zu bewegen. Er wunderte sich kurz, dann beugte er sich wieder über seine Arbeit.
    Der Bolzen widersetzte sich seinen Bemühungen, und das Pferd, an einer empfindlichen Stelle berührt, zuckte zurück und versuchte den Fuß auf den Boden zu stellen. Er beruhigte es mit besänftigenden Worten und tätschelte ihm den Hals. Dabei entglitt ihm die Taschenlampe. Er fluchte ungehalten, stellte den Huf auf den Boden und hob die Lampe vom Grasbankett auf, wohin sie gerollt war. Als er sich wieder aufrichtete, blickte er noch einmal die Straße hinunter, und da sah er es.
    Unter dem tropfenden Dunkel der Bäume kam sie dahergeglitten, schimmernd in blassem, mondweißem Licht. Kein Hufegetrappel war zu hören, kein Räderrumpeln, kein Klirren von Zaumzeug und Geschirr. Er sah die weißen, glatten, glänzenden Schultern mit den Kummeten, matt leuchtenden Ringen gleich, die nichts umschlossen. Er sah die glänzenden Zügel, deren abgeschnittene Enden frei durch die Ringe vor- und rückwärts glitten. Die Hufe, die nie den Boden berührten, liefen schnell – auf vier mal vier lautlosen Füßen glitten die schimmernden Leiber heran wie Rauchschwaden. Der Kutscher beugte sich vor und schwang die Peitsche. Er hatte kein Gesicht, keinen Kopf, doch seine ganze Haltung verriet allergrößte Eile. Im strömenden Regen war die Kutsche kaum zu sehen, doch Wimsey sah verschwommen die wirbelnden Räder sowie still und steif im Fenster etwas Mattes, Weißes. Das Gespann flog im wilden Galopp vorüber – kopfloser Kutscher und kopflose Pferde und lautlose Kutsche. Ihre Vorbeifahrt erzeugte einen feinen Lufthauch und ein Geräusch, das weniger ein Ton als eine bloße Schwingung war – gefolgt von einem heulenden Windstoß aus Süden und einem heftigen Regenschauer.
    «Großer Gott!» stöhnte Wimsey. Und dann: «Wieviel Whisky haben wir denn eigentlich getrunken?»
    Er drehte sich um und schaute mit angestrengtem Blick die Straße zurück. Dann fiel ihm plötzlich das Pferd wieder ein, und ohne sich noch länger mit der Taschenlampe abzumühen, hob er den Fuß hoch und arbeitete nach Gefühl weiter. Der Bolzen machte keine weiteren Umstände und fiel fast augenblicklich in seine Hand. Polly Flinders seufzte dankbar und schnaubte ihm ins Ohr.
    Wimsey führte sie ein paar Schritte vorwärts. Sie setzte den Huf sicher und kräftig auf. Der unverzüglich entfernte Bolzen hatte keine wunde Stelle hinterlassen. Wimsey saß auf und gab der Stute die Zügel frei – aber plötzlich zog er ihren Kopf herum.
    «Das will ich doch mal sehen», sagte er entschlossen. «Auf, mein Mädchen! Wir lassen uns nicht von kopflosen

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