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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Pferden unterkriegen. Ohne Kopf herumzurennen gehört sich einfach nicht. Hopp, mein Pferdchen. Jetzt geht’s über die Allmende. An der Wegegabel kriegen wir sie.»
    Ohne die allermindeste Rücksicht auf seinen Gastgeber oder dessen Eigentum lenkte er das Pferd auf den Reitweg und trieb es zum Galopp an.
    Zuerst glaubte er ein blasses, weißes Flattern zu sehen, das sich vor ihm auf der Straße dahinbewegte. Aber bald entfernten Straße und Reitweg sich voneinander, und er verlor es aus den Augen. Er wußte jedoch, daß es keine Nebenstraße gab. Falls seinem Reittier kein Unglück zustieß, mußte er die Kutsche abfangen können, bevor sie die Straßengabel erreichte. Polly Flinders jagte mit der aus Vertrautheit geborenen Gelassenheit über den unebenen Weg dahin. Nach weniger als zehn Minuten klapperten ihre Hufe wieder auf dem Asphalt. Er zügelte sie, drehte sie in Richtung Little Doddering und spähte die Straße entlang. Noch sah er nichts. Entweder war er der Kutsche weit voraus, oder sie war mit unvorstellbarer Geschwindigkeit hier schon vorbei, oder – Er wartete. Nichts. Der starke Regen hatte sich gelegt, und der Mond kämpfte sich wieder durch die Wolken. Die Straße lag völlig verlassen da. Er sah über die Schulter zurück. Ein kleiner Lichtstrahl bewegte sich dicht über dem Boden, schwenkte herum, blinkte grün und rot und wieder weiß und kam auf ihn zu. Bald erkannte er, daß es ein Polizist war, der ein Fahrrad schob.
    «Eine schlimme Nacht, Sir», sagte der Polizist höflich, aber mit einem fragenden Unterton in der Stimme.
    «Widerlich», sagte Wimsey.
    «Mußte zu allem Überfluß vorhin noch einen Platten flikken», ergänzte der Polizist.
    Wimsey drückte Mitgefühl aus. «Sind Sie schon lange hier?» fügte er hinzu.
    «Knapp zwanzig Minuten.»
    «Haben Sie etwas aus Richtung Little Doddering hier vorbeikommen sehen?»
    «Hier ist nichts vorbeigekommen, solange ich hier war. Meinen Sie etwas Bestimmtes, Sir?»
    «Ich meine, ich hätte –» Wimsey stockte. Er hatte eigentlich keine große Lust, sich zum Narren zu machen. «Eine Kutsche mit vier Pferden», sagte er zögernd. «Sie ist vor einer knappen Viertelstunde auf dieser Straße an mir vorbeigefahren – drüben auf der anderen Seite der Allmende. Ich – bin zurückgekommen, um sie mir anzusehen. Sie kam mir ungewöhnlich vor–» Er merkte, daß seine Geschichte nicht sehr überzeugend klang.
    Der Polizist antwortete schnell und in ziemlich scharfem Ton: «Hier ist nichts vorbeigekommen.»
    «Wissen Sie das sicher?»
    «Ja, Sir; und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, würden Sie jetzt besser nach Hause reiten. Ist ein einsames Stück Straße hier.»
    «Ja, finden Sie auch?» meinte Wimsey. «Schön, dann gute Nacht, Sergeant.»
    Er wandte den Kopf der Stute wieder in Richtung Little Doddering und ritt sehr still davon. Er sah nichts, hörte nichts und begegnete nichts und niemandem. Die Nacht war jetzt heller, und auf dem Rückweg fand er noch einmal bestätigt, daß es hier keinerlei Nebenstraßen gab. Was immer er gesehen hatte, es war irgendwo entlang der Allmende einfach verschwunden; es war weder der Hauptstraße noch irgendeiner anderen gefolgt.
    Wimsey kam am andern Morgen ziemlich spät zum Frühstück herunter und traf seine Gastgeber in einiger Erregung an.
    «Es ist etwas Unfaßliches passiert», sagte Mrs. FrobisherPym.
    «Ungeheuerlich!» ergänzte ihr Gatte. «Ich habe Hancock ja gewarnt. Er kann nicht sagen, ich hätte ihn nicht gewarnt. Aber so sehr man seine Umtriebe mißbilligen mag, für solch schändliches Betragen gibt es keine Entschuldigung. Wenn ich diese Halunken erst mal in die Finger kriege, egal wer sie sind –»
    «Was gibt’s denn?» fragte Wimsey, indem er sich von den gebratenen Nieren auf der Anrichte bediente.
    «Ein Skandal größten Ausmaßes», erklärte Mrs. FrobisherPym. «Der Pfarrer ist sofort zu Tom gekommen – ich hoffe übrigens, wir haben Sie nicht gestört mit all dem Trubel. Jedenfalls, als Mr. Hancock heute morgen zur Kirche kam, um die Frühmesse zu lesen –»
    «Nein, nein, meine Liebe, das berichtest du falsch. Laß es mich erzählen. Als Joe Grinch – das ist der Kirchendiener, der als erster da sein muß, um die Glocke zu läuten –, als er ankam, stand das Südportal weit offen, und niemand war in der Kapelle, obwohl sie doch beim Sarg hätten sein müssen. Er hat sich natürlich sehr gewundert, aber angenommen, daß Hubbard und der junge Rawlinson es wohl leid gewesen

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