Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Haus. Na ja, aber jetzt werden wir uns mal was zu essen genehmigen, ja?»
«Erinnerst du dich noch an diese elende alte Mühle», fragte Major Lumsden, «und die drei Ulmen neben dem Schweinekoben?»
«Großer Gott, ja! Ich weiß noch, daß du sie uns freundlicherweise aus der Landschaft geschossen hast. Sie machten uns nun mal verdammt zu auffällig.»
«Sie haben uns aber sehr gefehlt, als sie weg waren.»
«Gott sei Dank hast du sie nicht verfehlt, als sie noch da waren. Aber ich sage dir mal, was du verfehlt hast.»
«Was denn?»
«Die alte Muttersau.»
«Himmel, ja! Weißt du noch, wie der alte Piper sie eingefangen hat?»
«Das kann man wohl sagen. Da fällt mir etwas ein. Du kanntest doch Bunthorne …»
«Ich sage gute Nacht», erklärte Mrs. Lumsden, «und lasse euch damit allein.»
«Erinnerst du dich noch», fragte Lord Peter Wimsey, «an diesen peinlichen Moment, als Popham durchdrehte?»
«Nein. Da hatte man mich gerade mit einem Gefangenentrupp nach hinten geschickt. Aber ich hab davon gehört. Ich hab nur nie mehr erfahren, was aus ihm geworden ist.»
«Ich habe ihn nach Hause schicken lassen. Er ist jetzt verheiratet und wohnt irgendwo in Lincolnshire.»
«Ach was? Na ja, er konnte wohl nichts dafür. War doch noch ein halbes Kind. Was ist aus Philpotts geworden?»
«Ach Gott, Philpotts …»
«Gib mal dein Glas her, Alter.»
«Ach was, Junge. Die Nacht ist noch jung …»
«Wirklich? Aber sag mal, warum bleibst du nicht einfach heute nacht hier? Meine Frau würde sich freuen. Ich habe dich im Handumdrehen untergebracht.»
«Nein, vielen herzlichen Dank. Ich muß mich auf den Heimweg machen. Habe schließlich versprochen, zurückzukommen und die Kette vorzulegen.»
«Natürlich, wie du meinst, aber es regnet immer noch. Keine schöne Nacht, um auf einem offenen Pferd heimzureiten.»
«Das nächste Mal nehme ich eins mit Dach. Wir sterben schon nicht. Regen soll gut für den Teint sein – läßt die Rosen wachsen. Du brauchst deinen Diener nicht zu wecken. Ich kann den Gaul selbst satteln.»
«Mein lieber Mann, das macht doch gar keine Mühe.» «Nein, wirklich nicht, Alter.»
«Na schön, dann komme ich aber mit und fasse mit an.» Eine Regenbö wehte zur Haustür herein, als sie sich in die Nacht begaben. Es war schon ein Uhr morgens vorbei und stockfinster. Major Lumsden wollte Wimsey noch einmal zum Bleiben überreden.
«Nein, danke. Wirklich. Es könnte die alte Dame kränken. Und so schlimm ist es gar nicht – naß, aber nicht kalt. Auf, Polly, rück mal ein Stückchen rüber, mein Mädchen.»
Er legte den Sattel auf und zurrte ihn fest, während Lumsden die Laterne hielt. Das Pferd, gesättigt und ausgeruht, kam tänzelnd aus seiner Box, den Kopf nach vorn gereckt und mit geblähten Nüstern in den Regen schnuppernd.
«Also, adieu, mein Alter. Besuch uns mal wieder. War prima.»
«Und wie! Himmel noch mal, ja. Beste Empfehlungen an Madame. Ist das Tor offen?»
«Ja.»
«Na, dann mach’s gut.»
«Du auch.»
Polly Flinders, die Witterung des heimischen Stalls in der Nase, schickte sich an, mit den neun Meilen Weg kurzen Prozeß zu machen. Sowie sie zum Tor hinaus waren, schien die Nacht auch heller, obwohl der Regen noch immer herunterströmte. Irgendwo hinter den jagenden Wolken war ein Mond versteckt, der hin und wieder einen blassen Fleck an den Himmel malte und einen noch blasseren Schimmer auf die Straße warf. Wimsey, den Kopf voller Erinnerungen und den Magen voller Whisky, summte im Reiten vor sich hin.
Als er an die Gabelung kam, zögerte er kurz. Sollte er die Abkürzung über die Allmende nehmen oder sich an die Straße halten? Nach kurzem Überlegen entschied er sich, die Allmende aus dem Spiel zu lassen – nicht wegen ihres finsteren Rufs, sondern wegen der Fahrrinnen und Karnickellöcher. Er ruckte am Zügel, rief seinem Reittier ein Wort der Aufmunterung zu und folgte weiter der Straße. Die Allmende lag jetzt rechts von ihm; links lagen Felder, gesäumt von hohen Hecken, die einen gewissen Schutz vor dem peitschenden Regen boten.
Er hatte die Steigung und die Stelle, wo der Reitweg wieder auf die Straße trifft, hinter sich, als ein kurzes Zucken und dann ein Stolpern seine Aufmerksamkeit unangenehm auf Polly Flinders lenkte.
«Mach keine Sachen, Polly», sagte er tadelnd.
Polly schüttelte den Kopf, setzte sich in Bewegung und versuchte ihren gemächlichen Schritt wieder aufzunehmen. «Hoppla!» sagte Wimsey besorgt. Er brachte das Pferd zum
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