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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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um den Gurt in Augenschein zu nehmen, aber Wimsey war schon abgesessen und zog an dem Riemen, den Kopf unter dem Bauch des Pferdes.
    «Ja, dem fehlt ein Stückchen. Oh, herzlichen Dank. Ist das hier übrigens eine Abkürzung nach Abbots Bolton?»
    «Nicht zum Dorf, Sir, obwohl Sie da über diesen Weg auch hinkommen. Erführt zu Mr. Mortimers Ställen.»
    «Ach so. Ist das hier sein Land?»
    «Nein, Sir, es gehört Mr. Topham, aber Mr. Mortimer hat diesen Acker und den nächsten gepachtet, um Futter anzubauen.»
    «Aha.» Wimsey warf einen Blick über die Hecke. «Luzerne wahrscheinlich. Oder Klee.»
    «Klee, Sir. Und der Mangold ist für die Kühe.»
    «Oh, dann hält Mr. Mortimer auch Kühe, nicht nur Pferde?»
    «Ja, Sir.»
    «Fabelhaft. Zigarette?» Wimsey war in seiner Neugier zur Scheune geschlendert und spähte geistesabwesend in das dunkle Innere. Sie enthielt einige landwirtschaftliche Geräte und einen Einspänner altertümlicher Bauart, der allem Anschein nach gerade einen neuen schwarzen Anstrich erhielt. Wimsey nahm ein Schächtelchen Zündhölzer aus der Tasche. Die Schachtel war aber anscheinend feucht geworden, denn nach ein paar vergeblichen Versuchen gab er es auf und riß ein Streichholz an der Scheunenwand an. Die Flamme warf ihren Schein auf den altertümlichen Einspänner und zeigte, daß er stilwidrig mit Gummi bereift war.
    «Mr. Mortimer führt ein Gestüt, wie ich höre», sagte Wimsey obenhin.
    «O ja, Sir, ein sehr gutes.»
    «Er hat nicht zufällig ein paar Grauschimmel, wie? Meine Mutter – eine königliche Frau mit viktorianischen Ansichten und so weiter – hat eine Vorliebe für Grauschimmel. Sie hält sich nämlich einen Zweispänner.»
    «So, Sir? Also, da könnte Mr. Mortimer der Dame wohl zu Diensten sein, denke ich. Er hat ein paar Graue.»
    «Was Sie nicht sagen. Ich muß ihn wirklich einmal aufsuchen. Ist das weit von hier?»
    «Über die Felder fünf bis sechs Meilen, Sir.»
    Wimsey sah auf die Uhr.
    «Ach du meine Güte! Ich fürchte, das ist zu weit für heute morgen. Ich habe nämlich fest versprochen, zum Mittagessen wieder zu Hause zu sein. Muß ein andermal wiederkommen. Vielen, vielen Dank. Ist der Gurt jetzt in Ordnung? Doch, wirklich, ich stehe tief in Ihrer Schuld. Genehmigen Sie sich was zu trinken – und sagen Sie Mr. Mortimer, er soll die Grauschimmel nicht verkaufen, bevor ich sie gesehen habe. Also, guten Morgen, und nochmals tausend Dank.»
    Er drehte Polly Flinders in Richtung Heimat und ritt in gemütlichem Trab davon. Erst als er außer Sichtweite der Scheune war, hielt er an und bückte sich vom Sattel hinunter, um nachdenklich seine Stiefel zu betrachten. Sie waren über und über mit Kleie beklebt.
    «Das muß ich mir in der Scheune geholt haben», sagte Wimsey. «Sonderbar, aber wahr. Warum sollte Mr. Mortimer mitten in der Nacht seine Grauschimmel mit einem alten Einspänner durch die Gegend jagen – und obendrein mit umwickelten Hufen und ohne Köpfe? Nett ist so etwas nicht. Plunkett hat den Schrecken seines Lebens bekommen. Und ich mußte mich für betrunken halten – eine Vorstellung, die ich gar nicht leiden kann. Ob ich das mal der Polizei erzählen sollte? Aber gehen Mr. Mortimers Streiche mich eigentlich etwas an? Was meinst du dazu, Polly?»
    Die Stute schüttelte beim Klang ihres Namens energisch den Kopf.
    «Du meinst nicht? Vielleicht hast du recht. Sagen wir, daß Mr. Mortimer es nur auf Grund einer Wette getan hat. Was habe ich mich in seine Vergnügungen einzumischen? Trotzdem», schloß Seine Lordschaft, «freut es mich zu wissen, daß es nicht Lumsdens Whisky war.»
    «Das ist die Bibliothek», sagte Haviland, indem er seine Gäste in den Raum geleitete. «Ein schöner Raum – und eine schöne Büchersammlung, wie man mir sagt, obwohl die Literatur nicht so recht mein Gebiet ist. Der alte Herr hatte allerdings auch nicht besonders viel dafür übrig, fürchte ich. Hier wäre eine Renovierung dringend erforderlich, wie Sie sehen. Ich weiß nicht, ob Martin das in die Hand nehmen wird. Das ist eine Sache, die natürlich Geld kostet.»
    Wimsey schauderte es ein wenig, als er sich umsah – noch mehr aus Mitleid als vor Kälte, obwohl ein weißer Novembernebel sich vor den hohen Fenstern kräuselte und feucht durch die Rahmenritzen hereindrang.
    Es war ein langgestreckter, modriger Raum im kalten neoklassizistischen Stil. Auch ohne die Zeichen der Vernachlässigung, die einem Bücherliebhaber das Herz brachen, bot die Bibliothek an

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