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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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hereingeregnet.
    «Na, wo ist es denn geblieben? Es war ein großes Buch mit geprägtem Ledereinband. Ich würde das Ding so gern noch einmal sehen. Hab es seit Ewigkeiten nicht mehr zu Gesicht bekommen.»
    Sein Blick glitt ziellos über die Regale. Wimsey mit dem Instinkt des Bücherliebhabers war dann der erste, der die Nürnberger Bilderbogen, am äußersten Ende des Regals gegen die Wand geklemmt, entdeckte. Er schob einen Finger hinter den Buchrücken, doch als er merkte, daß das verrottende Leder bei der geringsten Berührung zu zerfallen drohte, zog er das danebenstehende Buch heraus und benutzte für die Nürnberger Bilderbogen die ganze Hand.
    «Hier ist es – in ziemlich schlechtem Zustand, leider. Hoppla!»
    Als er das Buch von der Wand nahm, löste sich mit ihm ein zusammengefaltetes Blatt Pergamentpapier und fiel zu seinen Füßen. Er bückte sich und hob es auf.
    «Sagen Sie mal, Burdock – ist das nicht das Schriftstück, nach dem Sie suchen?»
    Haviland Burdock, der auf einem der unteren Regale herumgesucht hatte, richtete sich, das Gesicht rot vom Bücken, rasch auf.
    «Donnerwetter!» rief er, indem er vor Aufregung zuerst noch röter und dann blaß wurde. «Sieh dir das an, Winnie! Es ist Vaters Testament. Das ist doch unglaublich! Wer wäre je auf die Idee gekommen, ausgerechnet hier danach zu suchen?»
    «Ist es wirklich das Testament?» rief Mrs. Hancock.
    «Ich halte jeden Zweifel für ausgeschlossen», bemerkte Wimsey kühl. «Letzter Wille und Testament von Simon Burdock.» Er stand da und drehte das verschmutzte Dokument von einer Seite auf die andere, um abwechselnd die Urkunde und dann wieder die leere Rückseite des zusammengefalteten Pergaments anzusehen.
    «Na, so was!» sagte Mr. Hancock. «Wie sonderbar! Es sieht ja fast nach Vorsehung aus, daß Sie dieses Buch heruntergenommen haben.»
    «Was steht denn in dem Testament?» fragte Mrs. Burdock aufgeregt.
    «Verzeihung», sagte Wimsey, indem er es ihr reichte. «Ja, wie Sie sagen, Mr. Hancock, es sieht fast so aus, als ob es mir zugedacht gewesen wäre, es zu finden.» Er blickte wieder auf die Nürnberger Bilderbogen und zog mit dem Finger traurig die Umrisse eines Nässeflecks nach, der schon den Einband hatte verfaulen lassen und bis zu den Innenseiten vorgedrungen war, wo er den Kolophon fast zerstört hatte.
    Haviland Burdock hatte inzwischen das Testament auf dem nächsten Tisch ausgebreitet. Seine Frau sah ihm über die Schulter. Die Hancocks, die ihrer Neugier kaum noch Herr wurden, standen dicht dabei und warteten auf das Ergebnis. Wimsey begutachtete derweil mit mühsam zur Schau gestelltem Desinteresse an dieser Familienangelegenheit die Wand, an der die Bilderbogen gelehnt hatten, befühlte ihre feuchte Fläche und untersuchte die Nässeflecken. Sie hatten das Aussehen eines grinsenden Gesichts angenommen. Er verglich sie mit ihren Entsprechungen auf dem Buchdeckel und schüttelte ob der Verschandelung traurig den Kopf.
    Mr. Frobisher-Pym, der sich schon vor einer Weile von ihnen abgesondert und sich in ein altes Buch von Farriery vertieft hatte, kam jetzt zurück und erkundigte sich nach dem Grund der Aufregung.
    «Hören Sie sich das an!» rief Haviland. Seine Stimme klang ruhig, aber der unterdrückte Triumph schwang unverkennbar darin und sprühte aus seinen Augen.
    «‹Ich vermache alles, was mir bei meinem Tode gehört -› jetzt kommt eine lange Aufzählung von Besitztümern, die nicht wichtig ist – ‹meinem ältesten Sohn Martin -›»
    Mr. Frobisher-Pym stieß einen Pfiff aus.
    «Hören Sie weiter! ‹- meinem ältesten Sohn Martin für so lange, wie mein Leib sich über der Erde befindet. Sowie ich aber begraben werde, bestimme ich hiermit, daß mein gesamtes Eigentum uneingeschränkt meinem jüngeren Sohn Haviland zufallen soll -›»
    «Großer Gott!» sagte Mr. Frobisher-Pym.
    «Es steht noch eine Menge mehr darin», sagte Haviland, «aber das ist das Wesentliche.»
    «Lassen Sie mich mal sehen», sagte der Friedensrichter.
    Er nahm das Testament aus Havilands Hand und las es stirnrunzelnd.
    «Stimmt», sagte er. «Kein Zweifel möglich. Martin hat alles besessen und wieder verloren. Wie sonderbar! Bis gestern gehörte ihm noch alles, und niemand wußte es. Jetzt gehört es Ihnen, Burdock. Das ist jedenfalls das merkwürdigste Testament, das ich je gesehen habe. Man stelle sich das nur einmal vor! Bis zum Begräbnis war Martin der Erbe. Und jetzt – nun, Burdock, ich muß Ihnen wohl

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