Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
wäre, könnten wir, glaube ich, davon ausgehen, daß Sie sie gefunden hätten.»
«Jawohl», sagte Dalziel, «das können wir mit Sicherheit annehmen, Mylord.»
«Sehr gut. Also. Es bestand natürlich die entfernte Möglichkeit, daß nach Campbells Tod jemand gekommen war und die Tube mitgenommen hatte, aber den Gedanken haben wir für zu phantastisch gehalten, um ihm weiter nachzugehen. Warum hätte einer gerade das stehlen sollen und sonst nichts? Und dann ließ ja der Zustand der Leiche vermuten, daß der Tod schon erheblich früher eingetreten war, als die getane Arbeit an dem Bild einen glauben machen sollte. Übrigens, Doktor, ich kann Sie beruhigen und schon gleich sagen, daß Ihre Berechnung der Todeszeit trotz Duncans genialem und sachkundigem Plädoyer vollkommen richtig war.»
«Freut mich zu hören.»
«So. Die Frage war nun, was aus dem Schieferweiß geworden war. Unter Berücksichtigung aller sichtbaren Tatsachen kam ich zu dem Schluß, daß a) Campbell ermordet wurde, b) der Mörder das Bild gemalt und c) aus einem unerfindlichen Grund die Tube Schieferweiß mitgenommen hatte.
Warum hätte er sie aber mitnehmen sollen? Es war doch das Dümmste, was er tun konnte, weil das Fehlen dieser Tube sofort Verdacht erregen würde. Er mußte sie also versehentlich mitgenommen haben, und das hieß, er mußte sie automatisch dahin gesteckt haben, wohin er beim Malen immer seine Farbtuben zu stecken pflegte. Er hatte sie an keinen der üblichen Plätze getan – auf den Boden, in eine Schachtel, in den Sack oder auf eine Ablage an der Staffelei. Er mußte sie irgendwo an seinem Körper untergebracht haben, und eine Tasche war da der wahrscheinlichste Ort. Von der Sekunde an war ich der Meinung, wir sollten nach einem Maler suchen, der die unmanierliche Angewohnheit hatte, Farbtuben in die Taschen zu stecken.»
«Davon haben Sie nichts gesagt», schmollte Dalziel.
«Nein, weil ich fürchtete – entschuldigen Sie –, aber wenn ich das gesagt hätte, wären Sie womöglich hingegangen und hätten sich erkundigt, und wenn der Mörder erst einmal auf diese seine unglückselige Angewohnheit aufmerksam gemacht worden wäre wär’s Schluß mit der Angewohnheit und mit den Ermittlungen gewesen. Außerdem konnten mehrere Maler diese Angewohnheit haben. Oder ich konnte mich in der ganzen Sache vollkommen geirrt haben – es war ein mageres Indiz, und womöglich hatte ich zuviel daraus gemacht. Da dachte ich mir, am besten wär’s, wenn ich ein bißchen in den Ateliers herumschnüffelte, die Leute beim Arbeiten beobachtete und ihre Angewohnheiten ausspionierte. Das war offensichtlich eine Arbeit, die ich als Privatmann viel besser machen konnte als jeder Beamte. Aber ich hatte Ihnen den Hinweis gegeben, Dalziel, und Sie haben ihn in Ihren Bericht aufgenommen. Jeder hätte zu dem gleichen Schluß kommen können wie ich. Warum ist keiner darauf gekommen?»
«Egal, warum, Wimsey», sagte Sir Maxwell. «Erzählen Sie weiter.»
«Die nächste Frage war», fuhr Wimsey fort, «warum dieses raffinierte Täuschungsmanöver mit dem Bild? Warum sollte ein Mörder sich unnötig lange am Ort seines Verbrechens herumtreiben und Bilder malen? Offenbar doch nur, um zu vertuschen, daß Campbell schon um – na, eben um die Zeit getötet worden war, als er tatsächlich getötet wurde. Sagen wir, am Abend vorher. Das hieß, daß der Mörder für den vorigen Abend – oder wann sonst – kein gutes Alibi hatte. Aber wenn er es so aussehen lassen wollte, als ob Campbell erst morgens getötet worden wäre, mußte er sich für diesen Morgen ein gußeisernes Alibi geschaffen haben. Ich kam also zu dem Ergebnis, daß ich über den Mörder schon vier Dinge wußte: 1. er war ein Künstler, sonst hätte er das Bild nicht malen können; 2. er hatte die Angewohnheit, Farbtuben in die Taschen zu stecken; 3. er hatte ein schwaches Alibi für die tatsächliche Todeszeit; und 4. er würde ein gutes Alibi für den Dienstagmorgen haben.
Dann wurden die Teerspuren am Wagen entdeckt. Das ließ vermuten, daß in dem Alibi ein Fahrrad eine Rolle spielen mußte. Weiter kam ich aber nicht, weil ich nicht wußte, wann Campbell gestorben war, wann er zum Minnoch aufgebrochen sein sollte, wie lange man brauchte, um so ein Bild zu malen und andere Einzelheiten dieser Art. Was ich aber wußte, war, daß Campbell ein streitsüchtiger Kerl war und daß mindestens sechs Maler in der Umgebung ihm schon mal irgendwann an den Kragen wollten.
Das Verwirrende an dem
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