Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Campbell stammte. Er hat es nicht direkt gesagt, nicht so ausdrücklich, aber er hat Abweichungen im Stil festgestellt und eine dementsprechende Bemerkung gemacht. Das hätte natürlich der Gipfelpunkt seiner Machenschaften sein können, mit denen er mich übers Ohr zu hauen versuchte, aber das hielt ich nicht für sehr wahrscheinlich. Seine Verblüffung und sein Argwohn wirkten echt. Er erwähnte auch, daß er beim Malen im Freien seine Farben entweder auf den Boden oder in seinen Hut lege, und Waters bestätigte das. Weder Graham noch Waters zeigten die geringste Neigung, Farben in die Taschen zu stecken. Ich habe beide eineinhalb Stunden lang beobachtet und sie nicht bei einer einzigen unbedachten Bewegung erwischt.
Farren benutzt eine Skizzenbox und nimmt es sehr genau, daß er jede Tube nach Gebrauch auch ja sofort wieder an ihren Platz tut. Ich weiß nicht, was er machen würde, wenn er keine Skizzenbox zur Hand hätte, aber als ich bei Mrs. Farren war, habe ich die Taschen seines alten Malerkittels inspiziert und keine Tuben darin gefunden, auch keine Farbrückstände im Futter. Außerdem habe ich Farren sofort eliminiert, als ich feststellte, daß er für Dienstag vormittag kein Alibi hatte, und der Sinn der ganzen Bilderfälscherei war es ja, ein Alibi aufzubauen. Sonst hätte sie überhaupt keinen Wert gehabt.
Strachan legt seine Farben auf eine Ablage an seiner Staffelei, und zwar immer in derselben Reihenfolge, und er bereitet auch seine Palette immer in derselben Art vor – in der Reihenfolge des Spektrums. Campbells Palette war aber keineswegs so aufgemacht, und die Farbtuben waren alle im Sack – natürlich außer dem Schieferweiß. Während ich Strachan zusah, habe ich die Gelegenheit ergriffen, eine Tube Kobaltblau verschwinden zu lassen, aber er hat sie sofort vermißt, als es ans Einpacken ging, obwohl er da wegen so einiger Dinge, die ich ihm gesagt hatte, völlig aus dem Häuschen war. Er ist nicht der Mann, der mit einer verräterischen Tube Schieferweiß in der Tasche davonspazieren würde.
Und nun kommen wir zu Ferguson. Ferguson steckt immerzu Farben in die Taschen; ich hab’s selbst gesehen. Ferguson bezieht seine Farben von Robertson’s, aber auf dem Tisch lag eine Pfundtube Winsor & Newton; ich hab sie gesehen und in der Hand gehabt. Fergusons Schwäche für eine bestimmte bläuliche Schattierung war es, was Graham bei dem gefälschten Bild verdutzte. Ferguson und sonst niemand hat dieses Bild gefälscht und das Alibi aufgebaut.
Moment noch. Ich möchte zu Ferguson noch ein paar Dinge anmerken. Er ist der Mann mit genau dem Alibi, das mit Hilfe des gefälschten Bildes aufzubauen Ziel und Absicht des Mörders war. Er ist bekannt für sein erstaunliches visuelles Gedächtnis. Ferguson war der einzige, der gegen den Malausflug zum Minnoch aufbegehrte. Und ich ziehe meinen Hut vor Sir Maxwell Jamieson, der entgegen aller Wahrscheinlichkeit bestätigt hat, daß Ferguson derjenige war, der über die Detailkenntnisse verfügte, um in Campbells Haus alles so herrichten zu können, daß Mrs. Green getäuscht wurde.»
Es trat eine kurze Stille ein, nachdem Wimsey diese lange Rede beendet hatte, die er in völlig ungewohnter Sachlichkeit vorgetragen hatte. Dann sagte Sir Maxwell:
«Das ist ja sehr schön, Wimsey, und klingt auch sehr überzeugend, aber solange Sie Fergusons Alibi nicht knacken könnten, bringt es uns überhaupt nichts ein. Wir wissen, daß er – oder jemand anders – mit dem Neun-Uhr-acht-Zug von Gatehouse nach Dumfries und weiter nach Glasgow gefahren ist. Die Fahrkarte wurde unterwegs dreimal kontrolliert und in Glasgow abgegeben. Außerdem wurde Ferguson in Glasgow von diesen Magnetzündermenschen sowie von Miss Selby und Miss Cochran gesehen. Wollen Sie sagen, daß er einen Komplicen hatte, der ihn gedoubelt hat, oder was?»
«Nein, einen Komplicen hatte er nicht. Aber er ist ein eifriger Leser von Kriminalliteratur. Ich will Ihnen jetzt mal sagen, was ich vorhabe – mit Ihrer Erlaubnis. Morgen ist wieder Dienstag, und da werden alle Züge wieder genauso fahren wie am Tag des Alibis. Wir begeben uns heute abend zu Campbells Cottage und werden den ganzen Ablauf der Ereignisse von Anfang bis Ende rekonstruieren. Ich will versuchen, Ihnen genau zu zeigen, wie es gemacht wurde. Wenn ich an irgendeiner Stelle nicht weiterkomme, ist meine Theorie dahin. Wenn ich es aber schaffe, werde ich nicht nur beweisen, daß es so hätte gemacht werden können , sondern auch, daß
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