Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Fall war nun, daß von den sechs Malern fünf verschwunden waren. Es ist natürlich nicht im mindesten ungewöhnlich, daß fünf Maler gleichzeitig aus der Gegend weg sind. In Glasgow war eine Ausstellung, zu der einige Leute gefahren waren, unter ihnen Ferguson. Es war Angelsaison, da bleiben die Leute oft die ganze Nacht weg – es gab einfach hunderterlei ganz harmlose Dinge, mit denen sie hätten beschäftigt sein können. Tatsache aber war, daß diese fünf Leute nicht zur Vernehmung zur Verfügung standen. Und man kann nicht dasitzen und einem Maler bei der Arbeit zusehen, wenn man nicht weiß, wo er ist. Der einzige, den ich sofort zu fassen bekam, war Strachan, und als ich mich mit ihm etwas näher beschäftigte, schien es, daß sein Alibi alles andere als zufriedenstellend war, nicht nur für Montag abend, sondern ebenso für Dienstag vormittag; ganz zu schweigen von seinem blauen Auge und der auch sonst recht mitgenommenen Erscheinung.
So also standen die Dinge: Graham verschwunden, Farren verschwunden, Waters verschwunden, Gowan nach London gereist, Ferguson nach Glasgow gefahren, Strachan zu Hause, aber offenbar die Wahrheit verschweigend.
Strachan, das darf ich sagen, habe ich fast sofort freigesprochen, obgleich ich es für möglich hielt, daß er mehr wußte, als er sagte. Ich suchte einen Mörder mit einem guten Alibi, und Strachans Alibi war an Unbeholfenheit nicht mehr zu überbieten. Graham, Farren und Waters mußten warten; sie würden möglicherweise mit hervorragenden Alibis wiederkommen; das konnte ich nicht sagen. Nur hatte ich mit etwas Offensichtlicherem, Unmittelbarerem gerechnet. Die beiden verdächtigtsten Personen waren in meinen Augen Ferguson und Gowan, denn sie hatten Alibis, die von Dritten bestätigt wurden. Wenn aber Gowans Alibi recht war, deckte es die Nacht so gut wie den Morgen; folglich war der Mann, der alle Bedingungen am besten erfüllte, Ferguson. Er hatte ein Alibi von genau der Art, die ich erwartet hatte. Es deckte nur den Vormittag; es war an jeder Naht absolut wasserdicht; und es wurde bestätigt von Leuten wie Stationsvorstehern und Busschaffnern, die keinen erkennbaren Anlaß zum Lügen gehabt hätten. Wenn Ferguson wirklich mit dem Neun-Uhr-acht-Zug von Gatehouse nach Dumfries gefahren war, konnte er das Bild nicht gemalt haben.
Schön, und dann tröpfelten so nach und nach die übrigen ein. Graham kam und hatte überhaupt keine Erklärung. Er hat mir einen bösen Schrecken versetzt, denn Graham ist der eine von den sechsen, der nicht nur Phantasie hat, sondern auch noch genau meine Phantasie. Ich sah Graham förmlich diesen Gedankengang bezüglich des Alibis nachvollziehen und sich sagen, daß jedes Alibi verdächtig sein würde und der beste Unschuldsbeweis folglich sei, gar kein Alibi zu haben. Ich glaube, in diesem Moment habe ich Graham stärker verdächtigt als alle anderen. Er sagte, er könne Campbells Stil nachahmen – hat sich förmlich darum gerissen, es mir zu demonstrieren. Ich hatte das ungute Gefühl, wir würden Graham nie auf etwas festlegen können. Sein Auftritt war fehlerlos. Er hat die Sache genau von der richtigen Seite angepackt. Und er war fest entschlossen, sich auf nichts einzulassen, bevor er wußte, worum es ging.
Dann kam Ferguson zurück und konnte jede Menge Zeugen dafür aufbieten, daß er wirklich in Glasgow gewesen war, und er hat uns eine Geschichte erzählt, die uns wenigstens ein paar sichere zeitliche Anhaltspunkte gab. Ich bin sicher, daß alle seine Zeitangaben vollkommen korrekt sind und daß er weder eingeschlafen ist noch etwas überhört hat. Ich hab ihn mal überfallen und seine Methode beim Malen studiert und dergleichen, und dabei habe ich mir ein Urteil über ihn gebildet.
Das war an dem Tag, an dem wir anfingen, hinter die Geschichte mit dem Fahrrad in Ayr zu kommen. Ich will ja niemandem zu nahe treten, aber ich finde, das mit dem Fahrrad hätte in allen Deutungsversuchen des Verbrechens berücksichtigt werden müssen. Diese ganze Affäre war so überaus merkwürdig, daß es sich kaum um ein Versehen oder einen Zufall gehandelt haben konnte. Natürlich ließ das noch lange nicht auf die Person des Mörders schließen, denn das Fahrrad stammte aus Gatehouse und bedeutete lediglich, daß das Verbrechen von Gatehouse aus durchgeführt wurde, was sowieso höchst wahrscheinlich war. Es war jammerschade, daß dieser unglückliche Dienstmann in Girvan ausgerechnet da krank werden mußte. Wenn er eines dieser Fotos
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